Das Lütticher Museum La Boverie stellt die Sammlungen von neun Frauen der Familie Rothschild aus. Die reichen Mäzeninnen der Bankiers- und Industriellenfamilie malten teils auch selbst.
Rothschild-SammlungenLütticher Museum lüftet skurrile Leidenschaft
Geld und Geschmack – Béatrice Ephrussi de Rothschild (1864–1934) hatte beides im Überfluss. Die Tochter aus reichem Haus und Ehefrau des jüdischen Bankiers Maurice Ephrussi konnte es sich leisten, ihr Palais an der französischen Riviera mit exquisiten Möbeln und Kunstgegenständen auszustatten.
Louvre ist Kooperationspartner
Die gebildete und weit gereiste Béatrice erwarb Gemälde großer impressionistischer Meister wie Monet, Renoir und Sisley, aber auch Werke aus dem 15. und 16. Jahrhundert aus Italien und Spanien. Mit ihrer Sammelleidenschaft und ihrer Großzügigkeit – die Villa Ephrussi samt Einrichtung vermacht sie ein Jahr vor ihrem Tod der französischen Académie des Beaux arts – steht sie ganz in der Tradition der vermögenden Bankiers- und Industriellenfamilie.
Eine Ausstellung im Museum La Boverie richtet jetzt den Blick auf neun Frauen des weit verzweigten Clans, die sich als Sammlerinnen und Mäzeninnen hervorgetan haben und als Erbinnen und Spenderinnen durch ihre Schenkungen die Sammlungen der französischen Museen bereichert haben. Der Pariser Louvre ist dabei zum wiederholten Mal Kooperationspartner des Lütticher Kunsttempels.
Anhand einer Auswahl von rund 350 Werken aus 30 französischen Institutionen und privaten Sammlungen zeichnet die Schau den Stil und die persönlichen Vorlieben der Frauen nach. Manchmal sammeln diese eigenständig wie die mondäne Béatrice, manchmal stehen sie im Schatten ihrer Ehemänner, wie die wohltätige Thérèse, die das Interesse ihres Mannes an bibliophilen Raritäten teilt und die Kollektion erweitert und sichert.
In jedem Fall nehmen sie eine wichtige Rolle in der Kunstgeschichte, der Gesellschaft ihrer Zeit und gelegentlich auch im Leben der Künstler ein, mit denen sie befreundet sind und die sie fördern. Charlotte de Rothschild (1825 – 1899), selbst eine anerkannte Aquarellmalerin und Begründerin des „Style Rothschild“, baut die von ihrem Ehepartner Nathanael geerbte Sammlung von Landschaften der Holländischen Schule aus und erwirbt außerdem Gemälde aus dem 18. Jahrhundert und der Renaissance, wie die bezaubernde „Madonna mit dem Kind und Stieglitz“.
Ihr ganz privates Interesse richtet sich auf Schmuck, Lederschatullen, Musikinstrumente und Gegenstände der jüdischen Kultur. Sie übergibt ihre Sammlungen später an verschiedene Museen und wird mit dieser spendablen Geste zum Vorbild für die nachfolgenden Sammlerinnen.
Faible für Pfeifen und Totenköpfe
Woher das Faible von Alice de Rothschild (1847–1922) ausgerechnet für Pfeifen rührt, ist nicht überliefert. 450 Pfeifen aus allen möglichen Materialien, darunter höchst kuriose Exemplare, und Streichholzschachteln hat sie zusammengetragen, die nach ihrem Tod an die Gemeinde Grasse übergingen, wo Alice die Wintermonate verbrachte.
Einen ausgeprägten Hang zum Makabren hatte Mathilde de Rothschild (1874–1926). Nur ihre Freunde und ausgesuchte Händler wussten von ihrer einzigartigen Sammlung von Totenköpfen aus Holz und Elfenbein. Besonders skurril: der winzige Schädel eines Zigarre rauchenden Bankiers, der als Krawattennadel diente, und ein Totenkopf aus Elfenbein mit beweglichen Augäpfeln.
Über ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein verfügte Alix de Rothschild (1911–1982), die sich auf zeitgenössische Kunst konzentrierte. Eine zarte Aktzeichnung von Gustav Klimt zählt zu den besonderen Preziosen der Ausstellung. Gezeigt werden außerdem Gemälde des israelischen Sammlers Avigdor Arikha, dem sie die erste Ausstellung finanzierte.
Höhepunkte der mit Möbeln, Porzellan, außereuropäischen Artefakten und Gemälden reich bestückten Schau sind 15 Zeichnungen von Egon Schiele aus dem Besitz von Cécile de Rothschild (1913–1995), die in einem eigenen Kabinett präsentiert werden. Liliane de Rothschild (1916–2003), die jüngste der in Lüttich präsentierten Sammlerinnen, hingegen schmückte ihre Wohnsitze mit Objekten aus königlichem Besitz, insbesondere dem der französischen Königin Marie-Antoinette.
Die schwülstige Ausstellungsarchitektur, die mit Kunstrasen und üppigen künstlichen Blumenbuketts den Lebensstil der Superreichen in ihren südlichen Domizilen im 19. Jahrhundert nachempfinden will, wirkt indes arg altbacken.
Bis 26. 2 2023. Di bis So 10 –18 Uhr. Parc de la Boverie. Kombi-Ticket für Sonder- und Dauerausstellung 15 Euro. Katalog 35 Euro (in französischer Sprache). www.laboverie.com