Rheinisches ArchivDietmar Schneiders Fotosammlung geht nach Bonn-Tannenbusch

Der Fotograf Dietmar Schneider in einer Kölner Ausstellung seiner Werke
Copyright: Thomas Banneyer
Bonn – Die „Rundschau“ lobte ihn als „Kümmerer für die Kunstszene“, andere Medien meinten, er habe ein „Passepartout für alle Türen“ und registrierten sowohl seine enge Beziehung zu Künstlerstars wie Joseph Beuys wie seine Initiativen, Gerhard Richter, Sigmar Polke, Günther Uecker und andere in deren Anfängen zu fördern: Im Entree des Rheinischen Archivs für Künstlernachlässe in Bonn-Tannenbusch hängt ein Potpourri aus Zeitungsartikeln über Dietmar Schneider. „Nur eine kleine Auswahl“, räumt Archiv-Chef Daniel Schütz ein.
Engen Kontakt mit den großen Künstlern des Rheinlands
Der Rest der publizistischen Beweihräucherung lagert in Kisten im Archiv-Depot. Zusammen mit weiteren Archivalien über und von dem legendären Kunstbeweger und Kunstchronisten Schneider, heute 83 Jahre alt. Mehr als ein halbes Jahrhundert war er im Rheinland unterwegs, rund tausend Veranstaltungen hat er mit dem Fotoapparat dokumentiert – bis vor wenigen Jahren (Schneider: „da hieß es Schluss und vorbei“) analog und in Schwarz-Weiß: Vernissagen, Kunstmärkte, Performances, Vorträge, anwesende Künstler und deren Entourage, Museumsleute, Sammler hat er verewigt. „Beuys und Polke habe ich besonders oft fotografiert“, erzählt er, „fast alle wollten sich fotografieren lassen“.

Dietmar Schneider in der Artothek in Köln
Copyright: Thomas Banneyer
Schneiders Frau schrieb alle Namen, Anlass und Datum auf gelbe Karteikarten. Sozusagen der Schlüssel zu einem unglaublichen Archiv, das aus 90.000 Negativen, 30.000 Abzügen und unzähligen Künstlerdossiers besteht, die den Zugang zu 1300 Protagonisten der rheinischen Kunstszene ermöglichen. Eine umfangreiche Korrespondenz sowie sämtliche Exemplare der zwischen 1973 und 2009 von Schneider herausgegebenen Magazine „Kölner Skizzen“ und „Kunst Köln – Kölner Skizzen“ komplettieren das Archiv.
Neue Heimat für den Kunstschatz
Bis unter die Decke der Schneiderschen Altbauwohnung im Kölner Agnesviertel stapelten sich bis Herbst letzten Jahres die Archivalien, ein unfassbar wertvoller Wissensfundus. Dann rückte Schütz mit seinen Leuten an. Sie legten die Mappen und Pappkisten auf Holzpaletten, wickelten das Ganze in schwarze Folie, steckten die Schätze in die Kältekammer, um potenziellen Schädlingen den Garaus zu machen. Jetzt lagert der Schatz auf 300 Quadratmetern in einem Tannenbuscher Archivkeller, wo früher die AWO ihre Akten lagerte, und wird nach und nach gehoben. Schütz hat zwei Mitarbeiterinnen angestellt, die sich exklusiv um Schneiders Lebenswerk kümmern, wozu auch die schrittweise Digitalisierung gehört.
Köln geht leer aus
Gab es denn keine Kölner Interessenten? Schon vor weit mehr als zehn Jahren führte Dietmar Schneider erste Gespräche mit dem ZADIK, dem Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung. Doch durch einen Wechsel in den politischen Machtverhältnissen im Kölner Rat sei das Thema in Vergessenheit geraten. Auch Gespräche mit der Kunst- und Museumsbibliothek seien letztlich nicht fruchtbar gewesen. (HLL)
Für Schütz ist das Schneider-Archiv eine Goldgrube und eine perfekte Ergänzung zu den rund 140 Künstlernachlässen, die er in den 15 Jahren, die es das RAK gibt, erworben hat. „Nachlassakquise ist beinhart“, sagt er. Rund fünf Jahre hat er gebaggert, um sich das Archiv des Kölners zu sichern. Hellhörig war Schütz geworden, als das Getty-Center in Los Angeles auf das umfangreiche Künstlerarchiv aufmerksam wurde und bei Schneider anklopfte. Schütz sicherte sich die finanzielle Unterstützung durch das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder, trieb die 195 000 Euro auf, um Schneiders Archiv zu erwerben zu können. Die Getty-Leute hatten mehr geboten, erzählt Schneider, aber sie hätten das Archiv in mehrere Teile zerrissen. Das wollte er nicht.
Von den Fotos hat er sich besonders schwer getrennt: „Ich habe spät und als völliger Amateur angefangen“, erinnert er sich, „Mitte der 1960er Jahre war das, damit sind viele Erinnerungen verbunden“.
Das Material wirft nicht nur Schlaglichter auf den Chronisten und Netzwerker, es zeigt auch, wie sich Schneider für die Szene engagierte, indem er mehr als hundert Ausstellungen organisierte, unter anderem in der Kölner Hohen Straße , den von „4711“ gesponsorten „Kunstpreis Glockengasse“ und den Toyota-Preis für junge Fotografen.
Momentan sichtet er zu Hause in Köln seine Familienfotos. Die sollen nach seinem Tod auch ins RAK kommen. Ob er seine Memoiren schreiben will? Immerhin kennt er die rheinische Kunstszene wie kaum ein anderer. Man sei auf ihn zugekommen, aber konkret sei nichts in Planung. „So viel Zeit ist nicht“, warnt er.