Rammstein in GelsenkirchenFeuer, Gewalt und Engel in der Arena auf Schalke

Gewohnt beeindruckend, düster, industriell: Rammstein-Frontmann Till Lindemann bei dem Konzert in Gelsenkirchen
Copyright: Thomas Brill
- Die Berliner Rocker von Rammstein haben ein Konzert in Gelsenkirchen gespielt.
- Die Musiker überzeugen in der geowhnt stumpf-spektakulären Inszenierung der Gewalt.
- Feuer, Pyrotechnik und ein gewaltiges Bühnenbild zieht Fans in den Bann – und dann wird noch überrascht.
Gelsenkirchen – „Rammstein - ein Flammenmeer.“ Das Stadion auf Schalke vibriert, als Sänger Till Lindemann das Lied aus dem Jahr 1995 ins Mikrofon knurrt. Gleichzeitig steigen Flammen an 20 verschiedenen Punkten empor: auf der Bühne aber auch auf den Lautsprechertürmen im Publikum. Die Fans grölen mit und wissen vor Entzückung kaum, wohin sie gucken sollen. Die Show erreicht nach mehr als zwei Stunden ihren Höhepunkt.
Am Montag haben die Brachial-Rocker rund um Sänger Till Lindemann die erste Stadiontour ihrer Bandgeschichte begonnen. In Gelsenkirchen geben sie das erste von zwei Konzerten auf Schalke. Bis Ende August folgen unter anderem Auftritte in Barcelona, Wien, Moskau, Prag und Stockholm. Die meisten Stadionkonzerte waren viel zu schnell ausverkauft.
Bühnenbild: Game of Thrones und Star Wars
Für ihre Tour haben Rammstein eine gigantische Bühne entworfen, die an eine Mischung aus Game of Thrones, Star Wars und einer merkwürdig futuristischen, aber dennoch rückständigen Diktatur erinnert. Dieses Meisterwerk der Technik wird durch die Lautsprechertürme nicht nur akustisch verlängert, sondern durch die daran befestigten Spezialeffekte auch optisch. Die Band hat die gigantische Bühne mehrere Wochen lang in einem Berliner Gewerbegebiet getestet. Jetzt steht auf Schalke die Feuertaufe an.
Mächtige Fanfaren vom Band kündigen die Musiker, die vor wenigen Tagen erst ihr neuestes Album „Rammstein“ veröffentlicht hat, standesgemäß an. Mit einer lauten Explosion starten die sechs Hardrocker ins Konzert, das anfangs ein wenig dahinplätschert. Ein bisschen weißer und schwarzer Rauch, ein paar Lichteffekte, Lieder wie „Sex“ und „Links 2, 3, 4“ bringen das Publikum zwar auf eine gewisse Temperatur - was in dieser Aufwärmphase aber fehlt, sind Explosionen und Feuerspiele, die aus einem musikalischen Ereignis ein unvergessliches Rammstein-Erlebnis machen.
Komplizierte Komposition im Stumpfen
Mag die Musik auch minimalistisch, teilweise stumpf wirken - die Bühnenshow der sechs Musiker ist eine komplizierte Komposition, eine epochale Sinfonie aus gewaltigen Lichteffekten, filigranen Videosequenzen und mächtig viel Wumms durch Pyrotechnik. Die statische Bühne verändert ihren Charakter von Lied zu Lied, wirkt mal wie eine mystische Waldlandschaft, mal wie aus einer postapokalypitschen Zeit - immer der Dramaturgie des Abends folgend, dem Höhepunkt entgegen.
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Seit ein paar Tagen steht die neue Platte „Rammstein” in den Läden. Mit dem Album hat die Band nach Angaben des Marktforschungsinstituts „GfK Entertainment“ einen neuen Rekord aufgestellt: Innerhalb der ersten Woche haben die sechs Musiker allein in Deutschland mehr als 260.000 Einheiten verkauft. „Das ist der erfolgreichste Start einer Band in diesem Jahrtausend“, teilt das Marktforschungsinstitut mit.
Das Album erobert auf Anhieb die Spitze der offiziellen deutschen Charts. Das liegt nicht zuletzt an der öffentlichkeitswirksamen Kampagne vor der Veröffentlichung: Die Band brachte zuvor die Singles „Radio” und „Deutschland” heraus, zeigte Videoschnipsel, in denen die Musiker in KZ-Kleidung an einem Galgen stehen. Der mediale Aufschrei war groß, die Aufmerksamkeit ebenfalls.
Fans bei neuen Songs textsicher
Titel aus dem neuen Album kann das Publikum auf Schalke bereits souverän mitsingen. Erst „Deutschland“, das von vier Tänzern in illuminierten Anzügen angekündigt wird, dann „Radio“. Aber Rammstein wissen genau, was die Fans von ihnen neben atemberaubenden Pyrotechnik-Effekten sonst noch erwarten: die Klassiker. Während die Nacht über Gelsenkirchen hereinbricht, spielt die Band „Du hast“.
Der wabernde Bass drückt die Luft durch die Halle, der Boden bebt unter den tausenden hüpfenden Menschen. Mitten im Song schießt Sänger Till Lindemann Leuchtraketen ins Stadion, denen eine pyrotechnische Kettenreaktion folgt. Überall blitzt und donnert es, ein Raunen geht durch die Arena - und Lindemann beobachte die Szene mit einem Lächeln im Gesicht.
Engel in der Arena
Eineinhalb Stunden stehen die Berliner Musiker bereits auf der Bühne, als sie sich verbeugen und verschwinden. Unruhe macht sich breit: Soll es das gewesen sein? Plötzlich ertönen zwei Flügel: Die Vorband, das Duo Jatekok, spielt das Lied „Engel“ auf einem Turm inmitten des Publikums. Um sie herum stehen Rammstein und singen den Song. Die Musiker lassen sich danach mit Booten durchs Publikum wieder auf die Hauptbühne tragen.
Immer wieder gelangen Requisiten in die Hände der Musiker, die angezündet, mit Flammenwerfern beschossen oder irgendwie anders zerstört werden. Alles Teil der großen Inszenierung. Die Interaktion mit dem Publikum beschränkt sich auf Aufforderungen oder vielmehr Befehle der Band, das Licht des Handys anzuschalten, mitzuklatschen oder den Refrain zu singen. Wer auf ein Rammstein-Konzert geht, möchte nicht interaktiv mitgestalten oder mit der Band ins Gespräch kommen. Er möchte ein perfekt inszeniertes Theaterstück mit ziemlich lauter Musik und ziemlich beeindruckenden Spezialeffekten sehen. Nicht mehr, vor allem aber nicht weniger bietet die Band auf ihrer Stadiontour.
Nach deutlich mehr als zwei Stunden Neue Deutsche Härte, wie das Rammstein-Genre auch genannt wird, zünden in Gelsenkirchen die letzten Explosionsladungen des Abends, das Feuer erlischt für die nächsten Stunden. Das zweite Konzert in der Veltins-Arena steht an diesem Dienstag an. Und es wird wieder ein Flammenmeer.