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Staatenhaus in KölnVerdi-Oper „Ein Maskenball“ feiert erfolgreiche Premiere

Lesezeit 4 Minuten
Verdis Oper ein Maskenball im Staatenhaus.

Verdis Oper ein Maskenball im Staatenhaus.

Giuseppe Verdis Oper „Ein Maskenball“ wurde bei der Premiere im Staatenhaus jetzt frenetisch gefeiert.

Wahrscheinlich ist es hohl, das übermannsgroße Standbild des Grafen Riccardo. Auch wenn es lange Schatten auf manche Bühnenszene in Giuseppe Verdis Oper „Ein Maskenball“ (Un ballo in maschera) wirft, ist das Monument zum Schluss schnell zu Boden geworfen. Hin und wieder krabbelt ein Mensch auf den Sockel – auch Graf Riccardo (Gaston Rivero) selbst. Dann wirkt es gar nicht respekteinflößend.

Königsmord auf der Bühne

Geschickt skizziert Jan Philipp Gloger in seiner Inszenierung, die nun Premiere im Saal 1 des Staatenhauses feierte, die Freiheitsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts. Europa, aber auch Amerika befanden sich in einer Umbruchphase. Da schwenkt kurz eine Marianne die Fahne, die für die französische Idee der freien Republik steht. Aber noch ringen die Herrschenden um den Machterhalt.

Wie wackelig das Ganze aber in dieser Zeit geworden war, dafür steht auch die Geschichte des „Maskenballs“: 1792 wurde Schwedens König Gustav III. während eines solchen Balls im Opernhaus Stockholms durch Revolverschüsse so schwer verletzt, dass er wenig später starb. Ein offener Herrscher, dessen Regierung sich durch Fortschritte in Kultur und Wissenschaft auszeichnete. Den Adel entmachtete er.

Verdi erfuhr, wie heikel der Stoff war, denn die Darstellung des Königsmords auf offener Bühne erweckte den Argwohn der Zensur. Der Handlungsort wurde daher nach Boston in Massachusetts verlegt. Dessen Gouverneur Graf Riccardo ist ein volkstümlicher Herrscher, hat aber auch Widersacher. Wiederholt wird seine Büste angespuckt und umgestoßen. Als Riccardo Audienz mit Stadtbewohnern und Offizieren hält, sind unter den Wartenden auch die beiden Verschwörer Samuel (Christoph Seidl) und Tom (Lucas Singer).

Fantasievolle Kostüme

Riccardo wird wiederholt gewarnt, interessiert sich aber vor allem für die Gästeliste zum Maskenball, die ihm sein Page Oscar vorlegt. Darauf stehen sein bester Freund und Sekretär Renato und dessen Frau Amelia, in die Riccardo heimlich verliebt ist. Als die beiden aufeinandertreffen, wird aus der Geschichtsstunde umgehend eine Liebesromanze, die auch noch 165 Jahre nach der Uraufführung in Rom hinreißend erzählt, und von Verdis Musik mit einem nicht abreißenden Spannungsbogen musikalisch angetrieben wird.

Die Oper bietet für die Sänger von der Arie über Duett und Terzett alles, was das Herz begehrt. Das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Giuliano Carella schöpft dabei den breiten Bogen der nuancenreichen Klangfarben voll aus, hält den Puls der wilden Geschichte. Der Chor unter Leitung von Rustam Samedov schafft es auf der Bühne, zum meisterhaften Gesang noch ein buntes Bild mit fantasievollen Kostümen (Sibylle Wallum) und eleganten Balltänzen zu zaubern.

Der Maskenball ist eine Sängeroper, bei der die Hälfte der Solisten ihr Rollendebut jetzt mit Bravour gaben. Simone del Savio als Renato lebt geradezu die Zerrissenheit der menschlichen Seele, die sich von Frau und Freund verraten fühlt und vor lauter Wut blind wird. Das setzt der Bariton, der in der internationalen Opernszene höchst gefragt ist, in ein musikalisches Bett süffiger Klänge.

Amelia, die in Liebe zu Graf Riccardo entbrannt, aber eine Frau von Ehre ist, kämpft mit Gewissensbissen. Sie denkt sogar an ein Kraut, das die Seele abtöten soll und fragt: „Aber was bleibt da dem armen Herz?“ Astrik Khanamiryan singt den inneren Konflikt überzeugend, wenn auch die Amplitude des Soprans mitunter etwas zu stark ausschlägt.

Sopranistin Hila Fahima in der Rolle des gräflichen Boten Oscar gewinnt am Premierenabend als Publikumsliebling. Wie auch die Hellseherin Ulrica (Agostina Smimmero). Sie weiß alles und spricht auch darüber. Welch geschickten Kniff Librettist Antonio Somma für den Plot damit erfand, darüber lässt auch heute nur staunen: Alles ist durch die Worte der Wahrsagerin vorhergezeichnet.

Frenetischer Schlussapplaus

Aber Graf Riccardo will davon nichts hören. Dass derjenige seiner Freunde, der ihm als nächster die Hand gibt, sein Mörder sein wird, kann er nicht glauben. Er verspottet die Wahrsagerin, deren Worte sich aber bewahrheiten. Gaston Rivero bringt den vom Liebesglück beseelten, aber auch verletzlichen Riccardo so lebensnah auf die Bühne, dass sich Gänsehaut einstellt. Manche im Publikum rückten näher zusammen, Stille herrschte in den Sesseln. Der Schlussapplaus war dafür umso lauter.

Verdis Musik lotet die Nachbarschaft von Glück und Verderbnis im großem Bogen aus. Renato fordert für den Ehebruch die Todesstrafe. Der kleine Sohn wird Zeuge des Disputs mit seiner Frau Amelia – auch diese Facette der damaligen Machtverhältnisse leuchtet die Inszenierung sensibel aus.

Die Missverständnisse und Verstrickungen, in die der Graf gerät, haben in jedem Moment, auch dem ausgelassensten, etwas Tragisches. Verdis Prinzip, dass „Leidenschaft vor allem“ stehen soll, verhalf der Oper schnell zur Verbreitung auf internationalen Opernbühnen. Der Komponist galt in seinem Heimatland bald als Symbol der nationalstaatlichen Einigung Italiens, dessen König Viktor Emanuel II noch im Jahr der Uraufführung empfing.

Drei Stunden, wieder am 18., 20., 26., 28. April und am 2., 4. und 10. Mai