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Premiere im Schauspiel KölnGriechisches Drama im neuen Sound

Lesezeit 4 Minuten
We are family
Eine Antikenüberschreibung
von Tine Rahel Völcker
Regie: Jorinde Dröse
 
Regie: Jorinde Dröse
Bühne: Magdalena Gut
Kostüme: Juliane Kalkowski
Musik & Komposition: Lars Wittershagen
Licht: Jürgen Kapitein
Dramaturgie: Sibylle Dudek
 
Foto: Melanie Zanin

Yvon Jansen (l.) und Hilke Altefrohe in „We are Family“.

Mit „We are Family“ bringt Regisseurin Jorinde Droste eine „Antikenüberschreibung“ von Tine Rahel Völcker auf die Bühne des Depot 1.

Die alten Griechen gehen immer. So viele Dramen, die sich da rund um den Trojanischen Krieg abgespielt haben und die Fragen aufwerfen, für die wir 3000 Jahre später noch immer keine Antworten gefunden haben. Darauf etwa, ob die Macht in unserer Gesellschaft gerecht verteilt ist.

„We are Family“ nennt Tine Rahel Völcker ihre „Antikenüberschreibung“, deren Titel sie sich bei den Disco-Damen Sister Sledge geliehen hat. Doch so poppig, wie man vielleicht denkt, wird der Abend, den Jorinde Dröse jetzt für das Depot 1 inszeniert hat, beileibe nicht.

Modebegriff „Überschreibung“

Überschreibung ist zu einem Modewort in der Theaterwelt geworden, aus alt (meint „angestaubt“) mach neu (meint „aufregender“) – oft geht das nach hinten los. Nicht so bei dieser dritten Premiere in Rafael Sanchez' Interimsintendanz.

Denn Tine Rahel Völcker erzählt die vertrackte Familiengeschichte so kompakt und schlüssig nach, dass man nicht den halben Homer oder die „Orestie“ von Aichylos gelesen haben muss.

Komplizierte Geschichte

Menalaos (Benjamin Höppner) wurde vom Trojaner Paris seine Frau Helena geraubt – nun fehlt der nötige Wind, damit seine Schiffe in See stechen und die Gattin zurückholen können. Um die Götter gnädig zu stimmen, soll Menelaos' Bruder Agamemnon, (Roland Kukulies) die eigene Tochter Iphigenie (Hannah Müller) opfern – weder ihre Mutter Klytaimnestra (Yvon Jansen), noch ihr potenzieller Bräutigam Archill (Leonard Burkhardt) oder Phryne, die Geliebte Agamemnons (Hilke Altefrohne) können den Frevel verhindern. Nach dem Tod der Tochter schicken die Götter zwar den nötigen Wind, doch die Bande der verbleibenden Familie sind auf immer gebrochen.

In der zehnjährigen Abwesenheit der Männer – so lange dauerte es, bis die Trojaner auf das Pferd hereinfielen – haben die Frauen die Macht übernommen und sind nach der Rückkehr der Krieger nicht bereit, mit dem Abseits vorliebzunehmen.

Kampf an zwei Fronten

Und so muss Klytaimnestra an zwei Fronten kämpfen: Zum einen entledigt sie sich des Gatten, zum anderen will daraufhin Tochter Elektra (Maddy Forst) den Tod des Vaters rächen ...

Trotz so vieler düsterer Handlungsstränge bekommt man doch reichlich zu lachen – und die Gags gehen meist zulasten der alten weißen Griechen. Da wird der aus dem Leim gegangene Agamemnon nur dank Korsett und ausgestopftem Oberhemd zum muskelbepackten Helden (Kostüme: Juliane Kalkowski).

Archill agiert eher lässig-läpsch als unverwundbar und Menelaos stumpf-brutal. Im zweiten Akt ist das nach Macht strebende Trio dazu verdammt, als Marmorstatuen den weiteren Verlauf nur kommentieren zu können.

Ehefrau und Geliebte vereint

Kein Wunder also, dass sich angesichts solcher Unfähigkeit trotz nachvollziehbarer Differenzen sogar Ehefrau und Mätresse des Königs zum gemeinsamen Handeln zusammentun.

Jedoch zeigt sich hier einmal mehr die Zeitlosigkeit der griechischen Mythen: Die neuen Machthaberinnen stoßen schnell an die Grenzen ihrer Koalition. Und es finden sich immer noch Unterstützerinnen der alten Strukturen.

Das achtköpfige Ensemble (Yasin Demirci und Alessandro Diaz y Köster spielen im Wechsel den zehnjährigen Orest) agiert mit großer Lust auf der dünnen Linie zwischen authentischem Drama und dessen Veralberung.

Hinreißende Auftritte der Frauen

Wobei Autorin und Regisseurin ohne Frage die stärksten und hinreißendsten Auftritte Yvon Jansen, Hilke Altefrohne und Hannah Müller und ihren jeweiligen Figuren gewähren. Die drei sind Dreh- und Angelpunkt des Aufbegehrens, vor allem Klytaimnestra und Phryne verheddern sich letztlich aber in den eigenen Ansprüchen.

Ihre Uneinigkeit führt folgerichtig zu Schwäche – ein Phänomen, das sich durch die Geschichte bis in die Gegenwart zieht.

Unnötige Notbremse

Und so könnte das Stück immer weitergehen, genügend Intrigen, genügend Personal wären ja vorhanden. Quasi als Notbremse lässt die Autorin das Ensemble aus seinen Rollen aussteigen und seine Vorstellungen eines Zusammenlebens und Forderungen an die Gesellschaft formulieren.

Doch mit diesem im Grunde beliebig-banalen Wunschkonzert endet dieser starke und bis dahin kurzweilige Abend enttäuschend. Es hätte noch gefehlt, dass sie zu „We are family“ tanzen oder gar „We are the world“ anstimmen. Aber gut, schlimmer geht immer.

95 Minuten (keine Pause), wieder am 2., 8., 13. 18. und 22.10. jeweils 19.30 Uhr.