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Premiere im Schauspiel KölnBejubelter Abend mit Fragezeichen

Lesezeit 4 Minuten
Ein von Schatten begrenzter Raum
Nach dem gleichnamigen Roman von Emine Sevgi Özdamar
Regie: Nuran David Calis
 
Regie: Nuran David Calis
Bühne: Anne Ehrlich
Kostüme: Sophie Klenk-Wulff
Musik: Vivan Bhatti
Licht: Michael Frank
Storyboards: Nuran David Calis
Dramaturgie: Ida Feldmann
 
Foto: David Baltzer

„Ein von Schatten begrenzter Raum“ nach dem gleichnamigen Roman von Emine Sevgi Özdamar im Depot 2.

Regisseur Nuran David Calis bringt mit „Ein von Schatten begrenzter Raum“ das mit dem Büchner-Preis ausgezeichnete Buch von Emine Sevgi Özdamar auf die Bühne des Depot 2.

Vertreibung, Flucht, Exil, Migration, Fremdsein, das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Kulturen — das sind die Themen, mit denen sich Regisseur Nuran David Calis in seinen Arbeiten auch am Schauspiel Köln immer wieder beschäftigt. Und dies sind auch die Themen, die auch die Autorin Emine Sevgi Özdamar umtreiben.

Calis' bisherige Kölner Stammdramaturgin Stawrula Panagiotaki (sie ist seit Neuestem Leiterin der Studiobühne) hat zu Özdamars Buch „Ein von Schatten begrenzter Raum“ eine Bühnenfassung erstellt, die jetzt Premiere im Depot 2 feierte.

Flucht nach dem Militärputsch

In dem mit dem Büchner-Preis auszeichneten Werk erzählt die 1946 in der Türkei Geborene teils autobiografisch, teils fiktionalisiert von ihrem Leben in der Türkei und in Deutschland, wo sie als Regieassistentin, Schauspielerin und Autorin an Theater wie der Berliner Volksbühne oder dem Bochumer Schauspielhaus und mit Regiegrößen wie Benno Besson oder Claus Peymann arbeitete.

Nach Deutschland floh sie nach dem türkischen Militärputsch Anfang der 1970er Jahre, kämpfte mit der Sprache und der Tatsache, keine Heimat mehr zu haben. Es geht um Anerkennung in einem fremden Land, um das Vermissen der Angehörigen zu Hause und darum, irgendwo und irgendwie dazugehören zu wollen, aber dabei immer wieder an Grenzen zu stoßen. Dort spielte sie die Ophelia, hierzulande Putzfrauen.

Genozid an den Armeniern

Eine Verbindung zwischen den beiden Ländern sieht die Autorin in der mörderischen Vertreibung der Armenier 1915 durch die Türken, zu der die Deutschen ihren Beitrag geleistet haben. „Bestimmt empfahlen sie den Osmanen, die Armenier an andere Orte zu deportieren, um sich ihren Boden, ihr Hab und Gut in Anatolien unter die Nägel zu reißen“, heißt es an einer Stelle über die deutschen Offiziere, die zuvor „für Völkermorde in Afrika verantwortlich gewesen waren“ und nun zu Hunderten „in den osmanischen Heeren dienten“.

Durch das Verweben von unfreiwilliger Migration und dem Leben von Theaterleuten wird deutlich, wie unstet, wie unsicher auch deren Leben ist: Immer angewiesen darauf, dass jemand dir einen Job gibt, dass die Jobs oft an Orten sind, wo man bisher nicht gelebt hat. Und wenn man sich etwa anschaut, dass im Tross von Stefan Bachmann ein ganzer Schwung von Mitarbeitenden auf und hinter der Bühne nach Köln kam, die neu in der Stadt waren und sich hier zurechtfinden mussten und nun ein Trupp mit ihm nach Wien zieht, zeigt das die Schwierigkeit in diesem Metier, Wurzeln zu schlagen – auch wenn natürlich die Theaterleute selbstredend von der Ausgangslage her ungleich privilegierter sind.

Dreiköpfiges Ensemble

Nuran David Calis inszeniert die Geschichte mit einem dreiköpfigen Ensemble – zwei Frauen (Kristin Steffen und Michaela Steiger) und ein Mann (Daron Yates), die abwechselnd die Texte der Ich-Erzählerin vortragen und für kurze Momente in andere Figuren schlüpfen, wobei sie mehr Stichwortgeber oder komische Einschübe (Michaela Steigers „Heiner Müller“!) darstellen als echte Charaktere.

Im Mittelpunkt der Kulisse (Bühne: Anne Ehrlich) steht ein Eisenbahnwaggon, der gedreht werden und durch dessen Fenster man Geschehnisse auf der Hinterbühne erahnen kann. Von dort werden Livebilder auf eine Leinwand oberhalb des Waggons gespielt. Genauso wie die Entscheidung, die Erzählerin bisweilen von einem Mann spielen zu lassen, erschließen sich auch die technischen Ideen nicht unbedingt. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier etwas wahllos das Regie-Besteck eingesetzt wird.

Berechtigter Premierenapplaus

Um das klar zu machen: „Ein von Schatten begrenzter Raum“ ist ein interessanter Theaterabend, die Geschichten sind spannend, die Gedankenflüge nachvollziehbar, die Anekdoten unterhalten. Das Trio spielt intensiv, lotet sowohl Zwischentöne als auch den sprichwörtlichen Zucker für den Affen aus. Die 100 Minuten sind schneller vorbei, als man denkt.

Aber die Frage bleibt, ob es gutes Theater ist, wenn mehr oder weniger ein Prosatext vorgetragen wird und so das Erzählen mehr Raum einnimmt als das Handeln. Eine Form, die leider zu häufig für Bühnenfassungen von Romanen gewählt wird.

Dem zentralen theatralen Moment der Interaktion zwischen Charakteren, dem Mit- und Gegeneinander von Figuren können Zuschauer nicht mehr beiwohnen, es wird nur noch behauptet. Der Dialog weicht dem Monolog, auch wenn dies wie hier im Depot von großer Spielfreude getragen wird. Berechtigter Premierenapplaus für alle Beteiligten.

100 Minuten. Wieder am 14. und 20. Mai sowie 6. Juni.