Lesung von Marcel LewandowskyPolitologe erklärt in Köln, was Populisten wollen

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Marcel Lewandowsky stellt sein Buch „Was Populisten wollen“ vor.

Marcel Lewandowsky stellt sein Buch „Was Populisten wollen“ vor.

Der Kölner Politologe liest in der Königin-Luise-Schule aus seinem neuen Buch.

Welch vielschichtige Emotionen die jüngsten politischen Ereignisse bei Marcel Lewandowsky auslösen, erfuhren die Zuhörer gleich zu Beginn des Abends, zu dem die Buchhandlung Bittner in die Aula der Königin-Luise-Schule geladen hatte. Nein, überrascht sei er über das Abschneiden der AfD bei der Europawahl nicht, aber erschüttert, antwortete der Autor auf die Einstiegsfrage seiner Lektorin Luise Houben, die den Abend gemeinsam mit Martin Breitfeld, Leiter Sachbuch bei Kiepenheuer & Witsch, moderierte.

Kein Patentrezept

Seine Vorab-Prognose habe sich auf 15 bis 16 Prozent belaufen, schob er hinterher. Da habe das tatsächliche Ergebnis ja nur knapp drüber gelegen. Sein vorherrschendes Gefühl sei aber vielmehr „Besorgnis darüber, dass dieses Thema überhaupt so viele Veranstaltungen zeitigt.“ 

Mit „diesem Thema“ war aber nicht alleine die AfD gemeint, denn diese ist auch nur eine einzelne Facette eines wachsenden Phänomens: des Populismus. Diesem widmet sich Lewandowsky in seinem jüngst erschienenen Buch „Was Populisten wollen“. Untertitel: „Wie sie die Gesellschaft herausfordern – und wie man ihnen begegnen sollte“.

Ein Patentrezept bietet das Buch sicherlich nicht, aber es hilft, einige Dinge klarer zu sehen und die Hintergründe besser zu verstehen. Der Begriff „Populismus“, so Houben, werde ihrer Meinung nach mittlerweile regelrecht inflationär verwendet – für Rechtspopulisten wie AfD-Politiker, Donald Trump und Giorgia Meloni, aber genauso für links verortete Gruppen wie das „Bündnis Sarah Wagenknecht“.

Mär von der Scheindemokratie

Die Bezeichnung sei mittlerweile recht beliebig, stimmte Lewandowsky zu. Doch dass Populismus sowohl im „rechten“ als auch im „linken“ Gewand auftreten könne, sei bei näherem Hinschauen kein Widerspruch. Es gebe nämlich ein Werkzeug, dessen sich alle Populisten bedienten: Sie nähmen für sich in Anspruch, für „das Volk“ – lateinisch „populus“ – zu sprechen. Dies gelinge, indem man eine Situation herbeirede, in der es um „wir hier unten gegen die da oben“ gehe. Dieses scheinbare sich gemein machen mit der Mehrheit unterscheidet laut Lewandowsky den Populismus vom Faschismus.

Ein weiteres Instrument, dessen sich Populisten bedienten, sei die Mär von einer „Scheindemokratie“, in der die Geschicke der Bevölkerung heimlich von eine „herrschenden politischen Klasse“ gelenkt würden. Dabei werde aber etwas zur Bedrohung stilisiert, was realistisch betrachtet erst wahre Demokratie ausmache.

Würde etwa bei einer Wahl eine verfassungsfeindliche Partei zwei Drittel aller Stimmen erlangen, hieße das noch lange nicht, dass Demokratie und geltende Gesetze über Nacht ausgehebelt werden könnten. Dafür sorge unter anderem das Widerspruchsrecht im Grundgesetz.

Vermeintliche Orientierung

Populisten aber verstünden Demokratie als reinen Volksentscheid – ihrer Auffassung zufolge müsse „das Gesetz sich dem Volkswillen unterwerfen, sonst ist es nicht das Gesetz“. Die Hauptgründe für die hohen Stimmzahlen für die AfD sieht Lewandowsky weniger in der Herabsetzung des Wahlalters, als in anderen Phänomen: So hätte etwa noch vor wenigen Jahrzehnten jemand, der in einer Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet aufgewachsen sei, ohne groß nachzudenken die SPD gewählt, einfach weil das Tradition war. Das sei heute nicht mehr so, wodurch es neuen Parteien leicht gemacht werde, vermeintlich Orientierung zu bieten.

Dazu komme, dass etwa die AfD früher als andere die Macht der sozialen Medien für sich entdeckt habe und Parlamentssitzungen hauptsächlich als Bühne für TikTok-Videos nutze. Gibt es also überhaupt noch Hoffnung? Ja, sagt Lewandowsky, wenn die demokratischen Parteien es schafften, zu mobilisieren und sich nicht gegenseitig zu zerfleischen. Gänzlich verschwinden würden die Populisten aber nie.

Marcel Lewandowsky: Was Populisten wollen, Sachbuch, Kiepenheuer & Witsch, 336 S., 20 Euro

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