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Klassiker in der Kölner Philharmonie„Cabaret“ berührt mit dunklen Untertönen

Lesezeit 3 Minuten
Anneke Schwabe gibt eine hervorragende Sally Bowles.

Anneke Schwabe gibt eine hervorragende Sally Bowles.

In der Kölner Philharmonie läuft bis Sonntag eine Inszenierung des Musicals "Cabaret".

Zum Finale ertönt noch einmal das berühmte „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ – doch aller Elan hat sich verflüchtigt, das Ensemble tanzt wie Zombies, wie Marionetten, deren Fäden straff und straffer gehalten werden. In den gut zweieinhalb Stunden des Musicals „Cabaret“ sind alle Träume einem düsteren Nichts gewichen.

1966 feierte das Stück von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Texte) Premiere in Boston, die darauffolgende Broadway-Inszenierung gewann mehrere Tonys.

Weltberühmt dank Liza Minnelli

Zu Weltruhm gelangte die Geschichte, die auf Romanen von Christopher Isherwood basiert, durch ihre Verfilmung 1972. Liza Minnelli als Sally Bowles, Joel Grey als Conférencier und Bob Fosses Choreographie haben das Bild der Show bis heute geprägt. Wenn man also „Cabaret“ auf die Bühne bringt, muss man sich an diesen Vorbildern orientieren oder die ganze Sache kräftig gegen den Strich bürsten.

Die Fassung, die 2020 in Hamburger St. Pauli Theater Premiere feierte und derzeit im Rahmen des Kölner Sommerfestivals in der Philharmonie zu sehen ist, versucht Ersteres – und bietet damit im Rahmen der Möglichkeiten einer Philharmonie gelungene Unterhaltung, die gemäß der Geschichte von vielen dunklen Untertönen durchsetzt ist.

Der Aufstieg der Nazis

Als der amerikanische Schriftsteller Clifford (Sven Mattke) 1928 in Berlin ankommt, verliebt er sich nicht nur in die Nachtclubsängerin Sally Bowles (Anneke Schwabe), sondern muss auch erleben, wie die Nazis das Geschehen bestimmen.

Deren Umtriebe wirken sich nicht nur auf die Liebesgeschichte zwischen Cliffs Vermieterin Fräulein Schneider (Angela Winkler) und dem jüdischen Obsthändler Herr Schulze (Peter Franke) aus, sondern bestimmen bald auch das Programm des Kit Kat Clubs und die Auftritte des Conférenciers (Tim Fischer) auf.

Hervorragende Besetzung

Eine „Cabaret“-Inszenierung steht und fällt mit der Besetzung der Hauptfiguren – und die ist hier hervorragend. Anneke Schwabe präsentiert eine gekonnte Melange aus Minnelli und einer eigenen Interpretation, Tim Fischer drängt vielleicht ein wenig zu sehr in Richtung Drag Queen.

Gesanglich sind die beiden ohne Fehl und Tadel, sein „Nichts berührt mich“ und ihr „Maybe this time“ sind Höhepunkte inmitten von exzellenten Leistungen. Aber wie Anneke Schwabe in „Life is a Cabaret“ den Bogen von der anfänglichen Unsicherheit ihrer Figur zu einer Selbstermächtigungshymne schlägt, ist eine Schau für sich.

Publikumslieblings Angela Winkler und Peter Franke

Die Publikumslieblinge sind aber ohne Frage Angela Winkler und Peter Franke. Wie sie mit mädchenhaftem Charme und er mit ungebremster Glückseligkeit die letztlich traurige Liebesgeschichte dieses alten Paares erzählen, rührt zu Tränen. Dass hier mit Winkler und Franke zwei Menschen auf der Bühne brillieren, die die 80 schon hinter sich gelassen haben, verleiht der Freude an ihren Auftritten noch eine weitere Dimension.

Cabaret Angela Winkler und Peter Franke

Angela Winkler und Peter Franke als Fräulein Schneider und Herr Schulze.

Das Regie-Duo Dania Hohmann und Ulrich Waller setzt in dieser Produktion auf die Showmomente, dabei gerät die Verbindung der einzelnen Handlungsstränge in den Hintergrund, bisweilen schnurrt der Abend zur ausgelassenen Nummernrevue zusammen.

Viele bekannte Hits

Ein Problem, das auf der bewusst sparsam ausgestatteten Bühne vielleicht durch das Licht hätte geradegerückt werden können. Hier und da wäre etwa für das Aufeinandertreffen von Fräulein Schneider und Herrn Schulze eine intimere Ausleuchtung von Vorteil gewesen. Doch nicht nur ihr Zweierspiel wirkte manchmal fast verloren im von einem Nachtclub-Flitter-Vorhang begrenzten Bühnenraum.

Aber „Cabaret“ ist die Sorte Klassiker, die mit so vielen tollen Songs von „Don't tell Mama“ und „Mein Herr“ über „Money“ bis hin zum Titelsong aufwartet, dass der Besuch sich immer lohnt, wenn ein Ensemble dieser Qualität am Werk ist.

150 Minuten (inkl. Pause), Termine bis 4. August. Infos unter koelner-philharmonie.de