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„Phaedra“ am Schauspiel KölnSo komisch kann ein Drama sein

Lesezeit 3 Minuten
Lola Klamroth, Kristin Steffen und Benny Claessens (v.l.) stehen gemeinsam lachend auf der Bühne.

Quietschend und vergnügt: Lola Klamroth, Kristin Steffen und Benny Claessens (v.l.).

Wieder einmal inszeniert der angesagte junge Regisseur Ersan Mondtag am Schauspiel Köln. Diesmal hat er sich zusammen mit seiner „Muse“ Benny Claessens den griechischen Klassiker „Phaedra“ vorgeknöpft.

„Spiel endlich deine Phaedra, die Leute warten schon“, raunzt Margot Gödrös nach gut 20 Minuten Benny Claessens im Depot 1 des Schauspiels an. Fürwahr, vom griechischen Tragödienstoff hat man in dieser Überschreibung von Thomas Jonigk bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts gehört.

Stattdessen lässt Regisseur Ersan Mondtag Claessens wie eine dunkle Barbara Valentin im Stil der Trash-Heldinnen von John Waters oder Walter Bockmayer koksen, Callboys vernaschen, sich an Vorurteilen laben und über das Elend als Schauspielerin lamentieren: lautstarkes Ennui von „Desperate Housewives“ in einer Knallbonbon-bunten Häuserreihe, in der sich auch die Simpsons heimisch fühlen würden.


Auf einen Blick

Das Stück: Schrill-bunte und über weite Strecken amüsante Fassung des antiken griechischen Stoffes.Die Regie: Ersan Mondtag (von dem auch das Bühnenbild stammt) zieht zusätzliche Ebenen ein – ohne Rücksicht auf Verständnis. Das Ensemble: Hier wird mit großem Spaß an der Übertreibung agiert.


Das Comichafte wird unterstrichen durch Teresa Verghos Kostüme aus steifem Material und Masken, die die obere Gesichtshälfte verdecken. Wo ist neben all diesem überkandideltem Vergnügen Platz für das titelgebende Drama? Klare Antwort: Praktisch gar nicht. Und wozu auch.

Bekannte Geschichte

Die alte Geschichte – bekannt durch Seneca, Racine und Schillers Übersetzung – erscheint hier als Gerüst, durch das sich Claessens Phaedra in aller Sinnlosigkeit hangelt. Während der Abwesenheit ihres Gatten Theseus (Benjamin Höppner) glaubt sie, sich in ihren Stiefsohn Hippolytos (Yvon Jansen) verliebt zu haben. Doch der hat nur Augen für die Geisel Aricia (Kristin Steffen). Als der König überraschend heimkehrt - mit einem Liebhaber (Kei Muramoto) im Schlepptau – dirigiert Phaedras Vertraute Oenone (Lola Klamroth) die Handlung auf ihr mörderisches Finale zu. Margot Gödrös schließlich leitet quasi als Stimme der Vernunft durch dieses typisch antik-griechische Labyrinth von Wer-gegen-wen.

Und ihre Erklärungen helfen ungemein, denn Jonigk und Mondtag verlegen die Handlung nicht nur optisch in einer Amerika der 50er bis 70er Jahre, sondern auch inhaltlich. So wird etwa aus dem Kriegsheimkehrer Theseus ein Vietnam-Veteran, der neben einer neuen sexuellen Orientierung auch ein Faible für Opium als Souvenir im Marschgepäck mitgebracht hat.

Tieferer Sinn? Egal!

Muss man nun ergründen, ob all dem ein tieferer Sinn innewohnte? Ob die Übertragung auf amerikanische Verhältnisse auch auf deutsche funktioniert hätte? Ob all die sich aufdrängenden Assoziationen geplant waren und man den Rest der unzähligen Anspielungen nachvollziehen können muss? Ob der Geschlechtertausch – Phaedra wird von einem Mann, Hippolytos von einer Frau gespielt – neue Interpretationsräume öffnet? Darüber kann man schön bei klebrigen Cocktails, wie sie die Hauptfiguren süffeln, schwadronieren. Aber bitte erst nach dem Stück.

Während des Abends gluckst man vor Vergnügen über Lola Klamroths hypernervöse Zappeleien, über Yvon Jansen als verklemmten Jüngling oder über die lässige Beiläufigkeit, mit der Margot Gödrös Schimpfwörter raushaut. Und natürlich über die Phaedra von Benny Claessens, der gleich einer ganzen Horde von Affen Zucker gibt. So viel zu gucken und so viel zu lachen gibt es nicht immer im Schauspiel. Und man taucht nur zu gerne ein in diesen Strom des kalkulierten Unsinns.

Dramaturgische Reißleine

Als nach anderthalb Stunden der ausufernde Klamauk zu ermüden beginnt, zieht man die Reißleine: Claessens Phaedra mutiert zur gekonnt gleichgültigen Rachegöttin und verbeugt sich dabei vor Barbara Stanwyck und anderen Heroinnen des Film noir. Da sind die Überlebenschancen fürs Umfeld natürlich gleich null. Das Premierenpublikum jubelte nicht zu Unrecht.

130 Minuten (ohne Pause). Wieder am 1., 10. und 21. 12., jeweils 19.30 Uhr, 4.12., 16 Uhr.

Auf einen Blick

Das Stück: Schrill-bunte und über weite Strecken amüsante Fassung des antiken griechischen Stoffes.

Die Regie: Ersan Mondtag (von dem auch das Bühnenbild stammt) zieht zusätzliche Ebenen ein – ohne Rücksicht auf Verständnis.