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Großartiges Regie-DebütPaula Pohlus bringt Ionesco-Klassiker auf die Bühne des Depot

Lesezeit 4 Minuten
Der König stirbt
von Eugène Ionesco
Regie: Paula Pohlus
 
Regie: Paula Pohlus
Bühne: Aline Larroque
Kostüme: Clara Bohnen
Musik: Cornelius Borgolte
Licht: Manfred Breuer
Dramaturgie: Jan Stephan Schmieding
 
Foto: Markus J. Bachmann

Der König und sein Hofstaat: Benjamin Höppner mit (v.l.) Nicolas Streit, Sinan Güleç, Kei Muramoto und Henri Mertens.

Schauspiel Köln: Mit Ionescos Klassiker „Der König stirbt“ gelingt Paula Pohlus ein gelungenes Regie-Debüt.

„Du stirbst in anderthalb Stunden. Am Ende der Vorstellung bist Du tot.“ Und so kommt es auch: Gut 90 Minuten lang lässt Eugène Ionesco das Publikum zuschauen, wie „Der König stirbt“. 62 Jahre später bringt die junge Regisseurin Paula Pohlus diesen Klassiker des absurden Theaters als ihre Debüt-Inszenierung auf die Bühne des Depot 2 und wird dafür bei der Premiere gefeiert.

Und es ist fast erschreckend, wie aktuell Ionescos Stück geblieben ist. Natürlich, niemand will ohne weiteres vom Leben abtreten. Im Fall des Königs kommt ein halsstarriges Klammern an die Macht hinzu, dabei ist diese ihm schon lange aus den Händen geglitten: Das Land geht den Bach runter, der Staat und seine Strukturen lösen sich auf.

Zu lange im Amt

Zu lange hat sich dessen Oberhaupt dem eigenen Vergnügen gewidmet, zu lange her sind die Zeiten, als er mit Innovationen und Erfindungen Land und Leute beflügelte. Dabei war er alles andere als ein gütiger Souverän, ließ Gegner in Familie und Volk ermorden.

Das kennt man nur zu gut aus Geschichte, Zeitgeschehen und Tagespolitik. Ionesco dreht dazu an der Absurd-Schraube, indem er die Amtszeit seines Königs in Jahrhunderten misst – und ihm den Namen Behringer gibt, jener Figur, die in mehreren seiner Stücke auftaucht.

Boulevardeske Ausbrüche

Die Lorbeeren, auf denen er sich zuletzt ausruhte, sind nun zum Krankenlager geworden. So hat auch die Bühne (von Aline Larroque) mit ihren durchsichtigen und durchlässigen Wandelementen etwas Klinisches, erlaubt gleichzeitig boulevardeske Ausbrüche.

Geblieben sind dem Herrscher ein Arzt, eine Bedienstete und seine beiden Königinnen, von denen er die jüngere liebt, sich aber von der älteren in die Schranken weisen lässt. Paula Pohlus’ Kniff, alle Rollen von Männern spielen zu lassen, driftet keinen Moment in Richtung Klamauk. Dazu trugen die Kostüme von Clara Maria Bohnen bei, die die Frauenfiguren in weite Hosenröcke steckt und so eher den Effekt von Androgynität als von Travestie erzeugt.

Diven mit Grandezza

Auch wenn Henri Mertens und Nicolas Streit ihre Dialoge in die Sorte Bissigkeit tunken, die jeder Drag-Show gut zu Gesicht stehen würde. Da gibt ein Wort das andere, Anschuldigungen werden wie mit der Kalaschnikow zwischen den beiden Rivalinnen hin- und hergefeuert.

Und der baumlange Mertens versieht seine Königin Margarete mit einer Grandezza, angesiedelt zwischen Marlene Dietrich und Elisabeth Flickenschildt. Bei Streits Maria würde man sich nicht wundern, wenn an ihrer Rückseite hin und wieder ein Playboy-Bunny-Puschel auftauchen würde.

Paraderolle für Benjamin Höppner

Selbstredend, für Benjamin Höppner ist der ins mentale Nirwana abdriftende König eine Paraderolle. Einmal mehr zeigt er, wie vorzüglich er es versteht, Wuchtigkeit und stille Momente auszubalancieren. Als König durchlebt er die verschiedenen Stadien von Verleugnung über Wut bis hin zum Akzeptieren und Annehmen. Höppner macht daraus eine Lehrstunde in Sachen Schauspielarbeit: unaufgeregt, nicht aufgesetzt, jede Nuance hat ihren Grund und sitzt.

Neben diesem Trio infernale haben es die beiden anderen schwer: Kei Muramotos Dienerin kann aber mit wunderbaren Slapstick-Einlagen immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei Sinan Güleçs Arzt wird bis zum Ende die verkrampfte Körperhaltung und das Zucken des Kopfes nicht klar.

Regisseurin ist der Star des Abends

Doch der Star des Abends steht nicht auf der Bühne: Nach mehreren Assistenzen legt Paula Pohlus ein beeindruckendes Regie-Debüt vor. Sie hält die Fäden in der Hand, verstrickt sich nicht in irgendwelchen Mätzchen. Und bei aller Komik steht der Text im Mittelpunkt.

An Pınar Karabuluts steiler Karriere kann man ablesen, was aus Gewächsen des Schauspiel Köln werden kann (und: Zufall oder nicht: Auch in Karabuluts Debüt „Romeo und Julia“ war das Bühnenbild geprägt von durchsichtigen Elementen.)

Am Ende ist der König allein mit der Frau, die er vielleicht nie geliebt hat, aber die unerschütterlich an seiner Seite bleibt. Aus Loyalität? Oder weil sie, wenn er stirbt, nicht mehr Königin, sondern nur noch Witwe ist, und nun ihrerseits versucht, den Bedeutungsverlust so lange wie möglich rauszuzögern.

100 Minuten, wieder am 13. und 27.11. sowie 4. und 25.12., jeweils 20 Uhr.