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Paul KuhnFürs Publikum war er wie ein guter Freund

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Zu Gast in der Beethovenhalle Bonn: Paul Kuhn dirigierte seine Band am 28. November 1969 beim Bundespresseball.

Dieser Mann war wie ein guter Wein oder wie ein edles Instrument: Er wurde mit zunehmendem Alter immer besser. So hatte Paul Kuhn allen Grund, sich auch an ein gesundheitlich problematisches Leben zu klammern, denn künstlerisch befand er sich in der Wertigkeit seines Schaffens auf dem Zenit. Paulchen konnte in den letzten Jahren vom Jazz leben, konnte wie ein Messias auch die Freunde seiner Gemeinde, die ihn für seinen Hit „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ liebten, mit anspruchsvoller amerikanischer Jazzmusik bestens unterhalten. Seine Fans, und die hatte er reichlich, trauern jetzt um ihren „Mann am Klavier“.

So fällt für einige Freunde erstmals das Weihnachtsfest aus. Denn der jeweils nach Stunden ausverkaufte Termin am zweiten Weihnachtstag in der Kölner Philharmonie war seit 28 Jahren für Paul Kuhn reserviert. Die Leverkusener Jazztage, die bereits im letzten Jahr mit Kuhn glänzen durften, hatten in diesem Jahr für den November einen ganzen Abend für Paulchen reserviert: Mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und zahlreichen prominenten Weggefährten des Pianisten sollte sein im März begangener 85. Geburtstag nachgefeiert werden.

Die Wunderkind-Karriere

1936 startete der achtjährige Akkordeonspieler mit dem markanten und nachhaltigen Kosenamen „Paulchen“ auf der Funkmesse in Berlin, mit zehn Jahren entdeckte er das Klavier für sich. Eine Art Wunderkind-Karriere durchlief der gar nicht scheue Musikus, dessen Vater in der Heimatstadt Wiesbaden als Croupier arbeitete. Nach dem Besuch einer musisch orientierten Schule folgte ein Studium am Wiesbadener Konservatorium. Bereits in jungen Jahren hörte der Musikfan auch Jazzmusik - und eine unstillbare Leidenschaft war geweckt.

Mehrfach in der Woche spielte Paul Kuhn mit seiner Combo für den amerikanischen Soldatensender AFN. Gespielt wurden Nummern von Glenn Miller, sein Vorbild wurde Art Tatum, einflussreicher wurde aber George Shearing, ein ausgesprochener Teamplayer. Und das wurde Paul Kuhn auch, er holte sich immer ausgezeichnete Musiker ins Boot, sowohl für die Unterhaltungsjobs wie auch für sein späteres Jazzorchester. Er war ja auch ein guter Arrangeur und Komponist, davon erzählten besonders seine Programme der Big- Band-Abende in Köln. Und Kuhn hielt immer die Waage zwischen Kunst und Unterhaltung. So funktionierte auch sein Wirken als Arrangeur und Dirigent der SFB Big Band, mit der er ab 1968 zahlreiche Platten aufnahm und sogar internationale Erfolge feiern konnte.

Die Innigkeit und Vertrautheit zwischen Fangemeinde und Künstler resultierte aber vornehmlich aus der direkten und beinahe privaten Art des Paul Kuhn. Selbst in seinen beliebten Fernsehshows fühlten sich die Zuschauer geborgen, unnachahmlich „normal“ witzelte und klamaukte der Entertainer, bei Paulchen menschelte es immer. Auch kleine Skandale um Alkohol, das Kettenraucher-Image oder seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung Mitte der Neunziger verstärkten sogar noch seine Popularität.

Eigene Big Band

Nach geschäftlichen Rückschlägen gründete er seine eigene Paul Kuhn Big Band. Vokale Unterstützung boten die Ute Mann Singers, geleitet von seiner Ehefrau, mit der er in diesem Jahr 25 Jahre verheiratet ist - ein Familienunternehmen mit Wohlfühlgarantie fürs Publikum. Ende der Neunziger war die große Band nur noch sporadisch beschäftigt, und Paulchen zog sich auf die Trio-Besetzung zurück. Dieses intime Format kam unwahrscheinlich gut an, und mit über 70 Jahren startete der gesundheitlich angeschlagene Pianist nochmals durch. Nebenbei begannen die Touren der „Swinglegenden“ mit Max Greger und Hugo Strasser, 2011 erntete er großes Lob für einen Auftritt in dem Film „Schenk mir dein Herz“ als alter Jazzpianist.

Kuhn war aktuell wieder gefragt, er fand kaum Zeit für seinen Ruhesitz in der Schweiz. Nach einem Aufenthalt in einer Klinik starb der große Unterhalter und Menschenfreund in der Nacht zum Montag. Nicht nur Musiker trauern um den „Mann am Klavier", und sein Band-Kollege Willy Ketzer sagt: „Ohne Paul Kuhn würde es gar keine deutsche Jazz-Szene geben.“