Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ ist nun als Szenische Darstellung im Staatenhaus zu sehen.
Drei Engel und ein SatansbratenOper Köln präsentiert Haydns „Die Schöpfung“ als visuelles Erlebnis
Es ist Satan, die den Apfel in die Welt bringt. Aus irgendeiner Untiefe zieht sie die Frucht der Versuchung hervor, ein Engel nimmt sie ihr weg und sperrt den Apfel in eine Vitrine. Sie, Satan, ist eine weiblich zu lesende Figur in der Szenerie, sie tanzt sich durch alle Szenen der „Schöpfung“, mischt sich ein, mischt mit (in stummer Rolle: Tänzerin Francesca Merolla).
Das Böse gehört zur Welt
Mögen die Engel sie auch von der Bühne schleifen oder in einen Sack stecken, dass sie buchstäblich zum Wurm wird, sie ist unterzukriegen, aber auch nicht auszulöschen. Das Böse, der Gegenspieler, die Versuchung, die Nemesis – sie gehört zur Welt, das erzählt diese zusätzliche Figur in der szenischen Produktion von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ der Oper Köln. Im Saal 2 des Staatenhauses eröffnete die szenische Produktion als erste Premiere die Spielzeit der Oper.
Nun ist Haydns berühmte „Schöpfung“ natürlich keine Oper, wurde als Oratorium zur Aufführung in Kirchen und Konzertsälen komponiert, doch Thema und Text enthalten so viele Bilder, dass eine szenische Produktion diese nur in die Sichtbarkeit holen muss. Die dramaturgische Entwicklung ist dem Werk ebenso eingeschrieben. Die britische Regisseurin und Choreographin Melly Still holt diese nun auf die Bühne. Die drei Engel bleiben die Erzählenden – Sebastian Kohlhepp, Alex Rosen und Kathrin Zukowski sind starke, charismatische Zeremonienmeister.
Von der Ursuppe unter schwarzem Stoff über Wasser als Ganzkörperwellen oder wirklich lustige Pantomime-Tiere bis zu den weißverschleierten Menschen zeigen Tänzer und Tänzerinnen, was gerade entsteht. Der große Chor trägt einheitlich Halbmasken mit weißen Auren und Nadelstreifenkaftane, auf deren Vorderseite Herrenanzug-Umrisse gezeichnet sind – ein Blick in die Zukunft des Menschen (Ausstattung: Merle Hensel, Judith Peter).
Prächtige Klangfülle
Ob man prompt bei „es werde Licht“ einen Lichtstreifen einschalten muss, darf man sich fragen – muss die Frage dann aber direkt an Haydn weiterreichen, der die Musik zu der Stelle genauso plakativ und eineindeutig aufleuchten ließ. Gerade das Unsubtile trug zum Erfolg des Werks bei. Der Barock-Experte Marc Minkowski lässt als Dirigent das Gürzenich-Orchester entsprechend in die prächtige Klangfülle gehen, die Haydn sich vorgestellt hatte.
Kirchgänger hören die Schöpfungsgeschichte mindestens in jeder Feier der Osternacht. Für Nicht-Kirchgänger: Die Bibel beginnt in ihrem ersten Buch, Genesis, mit der Erschaffung der Welt an sechs Tagen. Joseph Haydn und vor allem seine Zuarbeiter haben den Bibeltext angepasst, ergänzt um Elemente aus John Miltons „Paradise Lost“ („Das verlorene Paradies“) von 1667.
Milton beschreibt darin in epischer Gedichtform vor allem das Werden und Wirken Satans. Die stumme Figur ist also naheliegend. Satan ist der Welt immanent, Gott hingegen ist transzendent, allumfassend, er schließt die Welt und Satan mit ein – daher erscheint er konsequenterweise nicht als Person auf der Bühne, sondern seine Botschaften, die Schrift, auf der die Buchreligion fußt. Die großen Projektionen des Textes im Sinne eines „Wort Gottes“ sind hier also mehr als eine Verständnishilfe für das Publikum.
Am Ende des sechsten Tags ruht Gott und es ist Pause. Helfer fegen den Mulch weg und pusten den Nebel mit einem Ventilator davon. Sie bereiten buchstäblich dem Paradies die Bühne, denn dritte Teil gehört in Haydns „Schöpfung“ den Menschen. Sie erscheinen als Adam und Eva in Kaftanen, auf denen sie selbst als mittelalterliche Darstellungen gedruckt sind, auch wieder in Ahnung der Zukunft bereits mit Feigenblatt. Satan tanzt schon wieder mit dem Apfel der Versuchung herbei. Giulia Montanari und André Morsch singen wunderschön im Duett und loben den Herrn.
Kostüme aus Müll
Dass sie mit der Schöpfung gar nicht so arg gut umgehen werden zeigt der Chor: Der paradiert mit Kostümen im Stil der Zeit Haydns bis zur Gegenwart um die Szene, viele davon sind aus Müll gefertigt, aus blauen Tüten, Knallfolie, Flatterband, auch aus weggeworfenen Rettungswesten. Hat Satan am Ende doch die Oberhand? Der Apfel der Gegenwart ist jedenfalls ein Computer und kommt wieder in eine Vitrine.
130 Minuten, eine Pause. Wieder am 8., 12., 15., 18.10, 19:30 Uhr, 20.10., 18 Uhr. Karten-Tel.: 0221-22128400.