Wer am Tag der Kölner Opernpremiere von „Giulio Cesare in Egitto“ auch nur ein wenig die Krönung von Charles III. in London verfolgt hatte, war schon mittendrin in der Welt von Händel und „Giulio Cesare“.
Oper KölnKönigliche Arien bei der Premiere von „Giulio Cesare in Egitto“
Die Bühne leer geräumt, Projektionen von apokalyptischen Wetterphänomenen auf dem Rückprospekt, der Mode entrückte und doch moderne Kostüme und viel Gefühl im Gesang: So könnten sich die Theatermacher des 18. Jahrhunderts die Zukunft der Oper vorgestellt haben. Zukunftsvisionen aus der Perspektive des Barock ist eine der Grundannahmen der vom Publikum bejubelten Neuproduktion von Georg Friedrich Händels „Giulio Cesare in Egitto“ an der Oper Köln.
Dass man die Oper 299 Jahre nach ihrer Londoner Premiere überhaupt noch spielt und sich bei der Produktion wiederum rückbesinnt auf die Aufführungspraxis des Barock hätten sich die Theatermacher von damals wohl nicht träumen lassen. Schon eher, dass die englischen Könige nach wie vor nach demselben Ritus gekrönt werden und dabei Musik von Georg Friedrich Händel erklingt: „Zadok the Priest“ aus den Coronation Anthems von 1727.
Händel komponierte meisterhaft für die Mächtigen seiner Zeit
Händel war ein Meister darin, Macht musikalisch zu inszenieren. Er hielt seinen adeligen Auftraggebern mit seinen Werken keinen Spiegel vor, sondern bestätigte sie mit Hymnen und Opern, in denen Tyrannen fallen und gute – weil gerechte und tugendhafte – Herrscher am Ende auf den Thron kommen. Händel lieferte mit seinen Kompositionen den Soundtrack zum royalen Prunk des Barock.
Während in London die Krönung von Charles III. mit maximalem Pomp begangen wurde, fokussierten sich Regisseur Vincent Boussard und das Produktionsteam auf einzelne Aspekte der barocken Inszenierungspraxis. Im Staatenhaus ist ein schwarzer Guckkasten aufgebaut, dessen leuchtend umrandeter Rahmen sich flugs teilt und verschiebt und damit verschiedene Bildausschnitte anbietet. Schlichte Kulissenwände und vereinzelte Requisiten unterstützen die Bilder. Um Ägypten anzudeuten genügen schwarze Dreiecke oder ein Ibis-Schattenriss, der Thron ist ein Sessel auf einem Drehstuhl-Fuß mit Rollator-Rollen (Bühne: Frank Philipp Schlößmann). Römer und Römerinnen tragen Trenchcoats, die ägyptischen Figuren sind fantasievoller eingekleidet im Stil zwischen Voodoopriester, Joker und Pirat. Bei Hofe gibt es opulente schwarze Roben. Die Kostüme stammen von Couturier Christian Lacroix, der schon mehrmals mit Regisseur Boussard zusammengearbeitet hat.
Der Tyrann Tolomeo kommt in einem Nackt-Anzug mit großem, aber schlaffem Stoff-Penis. Darin steckt Sonia Prina in einer Nicht-Hosen-Rolle als quirliger, einfältiger Giftzwerg. Tolomeos erbittertster Feind Sesto ist Anna Lucia Richter, die ihn als einen mit jugendlichem Zorn motivierten Jungspund auch musikalisch strahlen lässt. Die trauernde Witwe Cornelia ist mit Adriana Bastidas-Gamboa ebenfalls stark besetzt. Ihre berührenden Arien gehören zu den vielen des Abends, die in barocker Tradition ohne weiteres Spiel vor leerer Bühne direkt an der Rampe vorgetragen werden, sodass die Musik eindringlich für sich stehen darf. Die Regie macht es sich damit einerseits ziemlich leicht, andererseits können in diesen Momenten die Solistinnen glänzen und das Gürzenich-Orchester unter Rubén Dubrovsky die eigentliche Kulisse bieten. Muntere, frohe Töne in eleganter zeitgenössischer Spielweise gibt es aus dem Graben, verstärkt um Cembalo, Blockflöten und Gambe/Theorbe.
Starke Sängerinnen prägen Premieren-Aufführung
Am Ende, man darf es verraten, kommt Cleopatra als beste, weil gerechte und Frieden versprechende Herrscherin auf den Thron. Sie erscheint stets als zwei Figuren auf der Bühne: Die taffe Politikerin im Hosenanzug, die feminine Liebende in prächtiger schwarzer Robe mit viel Tüll. Kathrin Zukowski bezaubert in ihrer Rolle mit wahrhaft königlichen Arien. All die starken Frauen singen den Mann in der Titelpartie und die Männer in den Nebenrollen glatt an die Wand. Countertenor Raffaele Pe hat seine Momente und gibt sich kaiserlich, setzt die berühmte Gleichnis-Arie aber in den ägyptischen Wüstensand (in einigen Folgevorstellungen singt Sonja Runje die Partie, Giulia Montanari singt in einigen die Partie der Cleopatra).
Persönliche Motivationen wir Rache, Liebe, Geltungsdrang und Begierde treiben die Handlung in Händels Oper, die politischen Konsequenzen ergeben sich als Folge daraus. Cleopatras Krönung am Ende ist folgerichtig als intimer Moment zwischen ihr und Cäsar inszeniert. Royaler Pomp kommt hier mit aus dem Orchester und der Erinnerung an die Londoner Krönung wenige Stunden zuvor.
Weitere Aufführungen
„Giulio Cesare in Egitto“, ca. 210 Minuten (eine Pause), wieder am 10., 14., 16. 18., 21., 29., 31. Mai, Beginn 16/18/19 Uhr, Karten: 0221/22128400