Die Bonner Oper führte am Sonntag unter der Regie von Aron Stiehl ihre Premiere zu Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ auf.
Oper in BonnSo lief die Premiere von Franz Lehárs „Die lustige Witwe“
Das Wort „Vaterland“ löst beim Baron Zeta (Martin Tzonev) – und nicht nur bei ihm – jedes mal eine Art Pawlowschen Reflex aus: Da möchte der rechte Arm ruckartig in die Höhe schnellen, wird aber glücklicherweise schon im Ansatz von der linken Hand zurückgehalten. Mit diesem Running Gag spielt Regisseur Aron Stiehl in Franz Lehárs „Die lustige Witwe“ en passant darauf an, dass es sich bei dem Stück um die Lieblings-Operette des Führers gehandelt hat.
Doch keine Bange: Vertieft wird diese Thematik in der Inszenierung, die Sonntag eine umjubelte Premiere in Bonn feierte, weiter nicht. Auch wenn es ein paar politische Anspielungen gibt und sogar eine Abstimmung über ein gutes oder schlechtes Ende des Stücks, die das Publikum unter angeblicher Aufsicht von Inspizientin Barbara Schröder zur Pause per „Hammelsprung“ ausführt.
Das bleibt alles sehr harmlos, ebenso die politischen Friktionen, die die Titelheldin durch ihre frisch erworbene Witwenschaft und dem einhergehenden Millionenvermögen auslöst. Sie berühren lediglich die Interessen des kurz vor dem Bankrott stehenden fiktiven Kleinstaats Pontevedro, dessen Gesandter in Paris, eben jener Baron Zeta, das Interesse seines „Vaterlandes“ daran bekundet, dass die Millionen der Witwe im Lande bleiben.
Das Bühnengeschehen wendet also nicht große Politik, sondern zeigt auf höchst unterhaltsame Weise Menschen auf der Suche nach dem Glück.
Dass die Witwe Hanna Glawari (Barbara Senator) wie die Sonne alles überstrahlt, ist schon bei ihrem ersten Auftritt nicht zu übersehen, bei dem sie auf einer Schaukel sitzend langsam vom Bühnenhimmel herabschwebt – unter ihr eine Schar erwartungsvoll wartender Herren, von denen sich einige Chancen auf eine gute Partie ausrechnen.
Doch da gibt es auch noch diesen feschen blonden Grafen Danilo (Johannes Mertes), eine Jugendliebe, aus der wegen gesellschaftlicher Zwänge nicht mehr wurde. Nun führt dieser Danilo ein Leben als Frauenheld, dessen eigentliches Zuhause ist das Pariser „Maxim“ ist, wo er alle Damen bei ihrem Kosenamen nennt, wie er singend verrät: „Lolo, Dodo, Joujou – Clocio, Margot, Froufrou.“
Bewegung in die Handlung bringt in dieser Inszenierung aber vor allem die Figur des Njegus, die mit dem schon als aus der Bonner „Fledermaus“ als Frosch bekannten Schauspieler, Dramaturgen und Wiener Original Christoph Wagner-Trenkwitz eine ideale Besetzung erfährt.
Von Beruf ist dieser Njegus zwar lediglich Kanzlist bei der Gesandtschaft, doch gibt er der Handlung immer wieder mal den nötigen Schubs. Oder er bringt sie per Fingerschnipp zum Stillstand und wendet sich sozusagen als Conférencier ans Publikum. Der Mann geht voll in seiner komischen Rolle auf, am Ende sieht man ihn sogar in Bustier und Unterhosen.
Überhaupt gibt eine gute Portion Frivolität dieser Inszenierung durchaus Pfeffer. Wobei hier vor allem die junge Gattin des in Liebesdingen rührend naiven Barons Zeta (für Tzonev eine Paraderolle) einen guten Anteil hat. Dass diese Valencienne nicht so ganz die „anständ’ge Frau“ ist, die sie vorgibt zu sein, macht die Sopranistin Marie Heeschen in ihrem Gesang ebenso deutlich wie in ihrem beherzten Spiel, bei dem sie an der Seite der Grisetten beiderlei Geschlechts aus dem „Maxim“ sogar ihr Talent als Tänzerin eindrucksvoll vorführt. Ihren jugendlichen Verehrer Rossillon gibt Santiago Sanchez nicht weniger spielfreudig und mit schönem tenoralen Schmelz.
Barbara Senator und Johannes Mertes verleihen den Hauptrollen ein hinreißendes Profil. In ihrem lyrisch verträumten „Vilja-Lied“ singt die Sopranistin mit ganz viel Wärme und einer betörenden Einfachheit. Dass sich Danilo zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus der Reserve locken lässt, ist nur schwer nachzuvollziehen. Zumal das insgesamt mit Leidenschaft und Temperament aufspielende Beethoven Orchester unter Leitung von Hermes Helfricht sie dabei mit ganz viel Gefühl unterstützt.
Der vom Baritonfach her kommende Tenor Mertes schenkt dem Operettenhelden Danilo gesanglich durchaus tiefere Gefühle und Leidenschaften, gibt aber auch den Salonhelden und Bonvivant mit darstellerischer Überzeugungskraft.
Im Detail
Das Werk: Lehárs Erfolgsoperette wurde 1905 im Theater an der Wien uraufgeführt. Die Musik: Die Operette mit ihren vielen bekannten Liedern ist ein Ensemblestück, was in Bonn hinreißend gezeigt wird. Die Inszenierung: Aron Stiehl setzt auf Unterhaltung und trifft dafür den richtigen Ton.
165 Minuten (inkl. Pause), wieder am 28./30. April, 7./14./20./ 26./ 29. Mai, 11./15. Juni.