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Neues BuchWie sich Elke Heidenreich durch Frauenliteratur leiten ließ

Lesezeit 4 Minuten
S.66_Lesen im Garten_©privat

Elke Heidenreich beim Lesen im Garten

Wer als einsames Kind Zuflucht und Glück im Lesen gefunden hat, wird für immer Antworten zwischen den Seiten finden. So ging es auch Elke Heidenreich. Die unermüdliche Literaturempfehlerin geht allmählich auf die 80 zu, wie sie in ihrem neuen Buch bemerkt, das heute erscheint. Zeit für einen Blick zurück: Im vergangenen Jahr auf heikle „Männer in Kamelhaarmänteln“, jetzt auf eine Reise „mit Büchern von Frauen durchs Leben“. Unter der Losung „Hier geht's lang!“ beschreibt Heidenreich im unverkennbar eigenen Ton, „was Bücher von Frauen mit mir und meinem Leben gemacht haben“.

Blütenzarte Köllnflocken

Es geht ihr weder um eine feministische Einordnung von Literatur noch um den Versuch einer weiblichen Literaturgeschichte, „Literatur ist Literatur, egal, ob von Männern oder Frauen geschrieben.“ Dennoch stellt auch sie klar: Der Einfluss weiblichen Schreibens, die Bedeutung von Autorinnen werden seit jeher unterschätzt und untergraben. Schriftstellerinnen haben im männlich dominierten Verlags- und Rezensionsbetrieb einen schwereren Stand; Männer lesen kaum Bücher von Frauen über Frauen.

S.124_Autogrammfoto_©privat

Als junge Frau mit dem Blick nach vorn: Elke Heidenreich 

Für Elke Heidenreich wurde das literarische „Geländer, an dem ich mich festhielt und das mir Orientierung gab“, trotz aller Begeisterung für Werke männlicher Autoren von den Frauen gebaut – „sie sind einfach näher dran. Sie haben andere Erkenntnisse beizusteuern“. Heidenreich beschreibt, wie sie über die Erfahrungen anderer Frauen zu sich selbst fand: Eine Autobiografie entlang gelesener Bücher – so einleuchtend wie charmant.

Lang geht es also da, wo für „Das Kind“ die Liebe zum Lesen begann: Bei der blausilbern schimmernden Tüte der „blütenzarten Köllnflocken“ nämlich. Darin entdeckte die kleine Elke bunte Sammelbildchen, deren Aufschrift sie bald entziffern konnte, bevor sie etwas später aus vermutlich gutem Grund gleich vier Mal das Werk „Elke, der Schlingel“ (Autorin Emma Gündel) geschenkt bekam.

S.6_Beim Schreiben lernen_©privat

Elke Heidenreich mit der Schreibtafel am Pult 

Elke Heidenreich schreibt so locker plaudernd wie sie spricht, macht über Anekdoten von Onkel Hans und der arbeitenden Mutter den Mief der 50er Jahre anschaulich, in dem sich ein einsames Mädel bändeweise das artige Frauenbild von „Pucki“ und „Nesthäkchen“ einverleibte: „Ich fasse es nicht, dass ich das damals alles mit Begeisterung gelesen habe!“

Auch Schmerzhaftes wird offenbart

Zwischen zahlreichen Fotografien von ihr und ihren Bücherschätzen offenbart Elke Heidenreich in diesem liebevoll gestalteten Band auch unerschrocken Schmerzhaftes: Das Glück in Astrid Lindgrens Memoiren „Das entschwundene Land“ etwa vermisste sie quälend in ihrer Familie. „Der Backfisch“, in dem daher „der Grundstein für Unruhe, Weglaufen, Trotz und Härte“ gelegt war, schwamm sich frei auch dank Francoise Sagans „Bonjour Tristesse“.

Wiederentdeckt

Drei Jahre lang las die Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert nur Bücher von Frauen. Ob sie was verpasst hat? Fangfrage, denn schließlich lesen Männer seit jeher nur Männergeschichten, wie auch Elke Heidenreich feststellt. „Frauen Literatur.

Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ heißt Seiferts Band (Kiepenheuer&Witsch, 18 Euro), in dem sie der Missachtung des weiblichen Schreibens auf den Grund geht. Wenn ein Mann tausende Seiten mit Alltagskram füllt, ist es Sensation. Wenn eine Frau dasselbe beschreibt, wird es als „banal, kitschig, trivial“ abgetan.

Seifert zeigt so gelassen wie gewitzt die frauenfeindlichen Strukturen von Literaturbetrieb, Medien und (Hoch) -Schulen auf, holt (vergessene) Autorinnen ans Licht und macht bei allem ungemein Lust aufs Lesen. (SK)

Ihr Ausbruch „bis heute so schmerzlich, dass ich auch mit achtundsiebzig Jahren noch nichts Genaues davon erzählen kann und mag.“ „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ wurde zu ihrem „Lebensbuch“, das sie bis heute begleitet, genauso wie Christa Wolfs „Kindheitsmuster“ oder Susan Sontags Essays. Detailliert und persönlich beschreibt Heidenreich, welche Autorin, welche Werke sie zu Studium, Beruf und zu den Medien brachten, bis sie „Die besten Jahre“ als „Literaturpäpstin“ mit der Mission verbrachte, Bücher verständlich zu empfehlen: „Ich wollte wirklich immer nur sagen: Hier geht's lang…“

Das gelingt ihr auch in diesem Band, der eine einzige Anregung zum Lesen ist. „Hab ich wen oder was vergessen?“, fragt sie sich am Ende. Eine, ja. Denn auch Elke Heidenreichs eigene Bücher beglücken mit ihrer Lebensklugheit und liegen auf so manchem Nachttischstapel für alle Fälle.

Elke Heidenreich: Hier geh's lang. Eisele, 192 S., 26 Euro