Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Neuer „Bourne“- FilmImmer wenn er Pillen nahm

Lesezeit 3 Minuten

Gejagt: Jeremy Renner als Aaron Cross und Rachel Weisz als Dr. Marta Shearing in "Das Bourne-Vermächtnis".

Aaron Cross (Jeremy Renner) ist unzerstörbar. Beim einsamen Spezialtraining in Alaska springt er in Eis-Seen, erklimmt schroffste Berge und hält ganze Wolfsrudel in Schach. Bloß verdankt sich diese übermenschliche Fitness nicht wackerer Körper-Ertüchtigung sondern einem chemischen Doppel-Doping für Muskeln und Hirn. Stolz konstatiert die CIA, dass Cross dank der richtigen Tabletten eine menschliche Kampfmaschine "mit geringem emotionalen Grundrauschen" sei.

Seitdem freilich der Fall Jason Bourne und das Geheimprogramm "Treadstone" aufflogen, herrscht im Hauptquartier die Angst, auch das noch perfidere "Outcome"-Projekt könnte enttarnt werden. Also beschließt Krisenmanager Byer (Edward Norton), alle "Outcome"-Agenten auszuschalten. Von nun an ist Cross ein Gejagter.

Paul Greengrass wird schmerzlich vermisst

Gewiss variiert diese Story das dramaturgische Prinzip der frei nach Robert Ludlum konzipierten "Bourne-Trilogie": ein Einzelkämpfer gegen die Schattenwelt der Geheimdienste, ohne die Chance, sein schreckliches Dilemma zu offenbaren. Doch "Das Bourne-Vermächtnis" muss nicht nur ohne Matt Damons Titelhelden, sondern auch ohne dessen monströse Tragik auskommen.

Cross' Kampf wird weder von ohnmächtiger Wut über eine zerstörte Identität noch von Rachsucht nach dem Mord an seiner Freundin befeuert. Er ist eher ein Süchtiger, dem nach Verzehr seines Pillenproviants der kalte Entzug droht: vom unbesiegbaren Killer zum zuckenden Häuflein Elend.

Immerhin findet er in der Ärztin Marta Shearing (Rachel Weisz) eine sinnliche Verbündete, die es angesichts des von ihr gezüchteten Grauens aus dem Reagenzglas moralisch gruselt. Während Bourne nur noch als Phantom durch den Film spukt, besetzt Jeremy Renner (der Bombenentschärfer aus "The Hurt Locker") den Platz des maroden Helden souverän. Physische Präsenz, dazu ein Hauch Nachdenklichkeit zwischen all den Drohnen-Angriffen, Killer-Duellen und Verfolgungsjagden - der Mann könnte einen Verschwörungsthriller tragen.

Zu viel von allem

Doch schwerer als Matt Damons Abschied wiegt der von Regisseur Paul Greengrass. Seine rasiermesserscharfen Schnitte und nervösen Handkamera-Zooms hatten das Klima allgegenwärtiger Paranoia ebenso perfekt gespiegelt wie das turbobeschleunigte Räderwerk der Überwachungsmaschinerie. Wie er komplexe Entscheidungen in scharfe Bildsplitter auflöste und beinharte Action in Schallgeschwindigkeit entfesselte - diese fast hysterische Intensität sucht man hier vergebens.

Zwar liefert der frühere "Bourne"-Drehbuchautor Tony Gilroy als Ersatz am Regiepult solides Handwerk und kann sich neben den Hauptdarstellern auf Edward Norton als gestressten, gleichwohl eiskalten Strippenzieher und Stacy Keach als Pentagon-Mephisto verlassen. Doch anders als sein muskulöser Held hat dieser Film viel zu viel Speck auf den Rippen.

Die eher pauschale Kritik an biochemisch-gentechnischer Manipulation verpufft im breitwandigen Getöse, die XXL-Verfolgungsjagd über den Dächern und in den Straßen von Manila wirkt wie eine Raubkopie aus dem "Bourne-Ultimatum".

Das Ende zitiert zwar die erotischen Idyllen der James-Bond-Filme - doch "Skyfall" verspricht ab 1. November mehr Thrill und Tempo.