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Nachruf auf Gottfried BöhmDie Region mit markanten Bauwerken geprägt

Lesezeit 3 Minuten
Rathaus Bergisch Gladbach

Blick auf das Rathaus von Bensberg von Architekt Gottfried Böhm. 

Köln – Sein Doppeltalent zeigte sich schon in der Wahl der Studienfächer: Architektur und Bildhauerei. Tatsächlich geht Gottfried Böhm, der jetzt im Alter von 101 Jahren gestorben ist, als Schöpfer skulpturaler Meisterwerke in die Architekturgeschichte ein. Gewiss war der in Offenburg geborene Wahlkölner der bedeutendste Vertreter des Beton-Brutalismus der 60er Jahre, weil er mit diesem Material so einfallsreich umging wie kaum ein anderer.

Expressiv, massiv und wie für die Ewigkeit geschaffen wirken viele seiner Bauten: Etwa der äußerlich an ein kristallin gesplittertes Gebirge erinnernde Mariendom im Wallfahrtsort Neviges. Doch dem vermeintlich Schweren haftet kein dumpfes Pathos an. In Neviges etwa erreicht der Besucher nach dem geduckten Eingangsbereich einen Raum, der den Blick in die Höhe des Betonzelts zieht und die Schwerkraft der äußeren Hülle wundersam aufhebt.

Zwischen Tradition und Moderne

Die Kunst des Brückenschlags zwischen Tradition und Moderne war Böhms Spezialität. Sie prägt auch das Bensberger Rathaus, das die Überreste der alten Burg rücksichtsvoll aufnimmt und dann selbstbewusst modernisiert. Diese Trutzburg des Bürgerstolzes mag auch dazu beigetragen haben, dass Böhm 1986 als erster Deutscher den Pritzker-Preis, eine Art Nobelpreis für Architektur, bekam.

Sein frühes Renommee hatte er allerdings mit Sakralbauten erworben, für die sein Vater Dominikus zu Recht berühmt war. 1947 gab der seinem Sohn die große Chance: das Debüt mit „Madonna in den Trümmern“ in der zerstörten Kölner Kolumba-Kirche. Später sah Gottfried deren magische Aura in der Ummantelung durch Peter Zumthors Kolumba geschmälert. Diese Lösung, so sagte er unserer Zeitung, sei „für das Diözesanmuseum schön. Für die Stadt ist etwas verloren gegangen.“

Böhm

 Der Kölner Architekt Prof. Gottfried Böhm

Harte Kanten und rhythmische Rundungen, Klarheit und orientalischer Zierrat sind in manchen seiner Kirchen raffiniert verschmolzen: Christi Auferstehung in Köln-Lindenthal mit dem markanten Korkenzieherturm oder insbesondere Herz Jesu in Schildgen mit den maurisch anmutenden Fassadenornamenten und den kühnen Raketentürmen.

Die meisten Wagnisse sind geglückt

Stahl und Glas werden später Böhms bevorzugte Materialien: etwa beim „Bürgerhaus Bergischer Löwe“ in Bergisch Gladbach, das mit seinem Ballett von Freitreppen, Erkern und Fensterdächern ebenso verspielt wie überladen wirkt. Ähnliches gilt für die tanzenden Container der Kölner WDR-Arkaden, während das Technische Rathaus in Deutz eher die Nüchternheit eines Zweckbaus verströmt.

Die meisten der Böhmschen Wagnisse wirken verblüffend harmonisch: Die Bleifassaden des Paderborner Diözesanmuseums schmiegen sich geradezu an die Kirche, das Potsdamer Hans-Otto-Theater trumpft mit einem dreischaligen, scheinbar rotierenden Muscheldach auf, und die Glaspyramide der Ulmer Stadtbibliothek wirkte nur anfangs als Fremdkörper in der roten Dachlandschaft des Zentrums.

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1948 hatte Böhm seine Kollegin Elisabeth geheiratet, die 2012 starb. Noch zu seinem 100. Geburtstag erfuhr man, dass der Witwer weiterhin täglich ins Büro ging, allerdings nicht mehr zum Zeichnen, sondern der Kontaktpflege mit seinen Architektensöhnen Peter, Paul und Stephan wegen. Zwar gab es in Köln etwa mit den bunten Wohnsilos in Chorweiler oder dem Bezirksrathaus Kalk oft lohnende Aufträge, vom Wettbewerb ums Opernquartier aber wurde der Altmeister wegen zu niedriger Büroumsätze ausgeschlossen.

Eine der raren Niederlagen einer glanzvollen Karriere.