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Mit bösem Blick zur WeltkarriereSchauspieler Mario Adorf feiert 90. Geburtstag

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Nachdenklich: Mario Adorf im vergangenen Jahr während der Berlinale.

  1. Mario Adorf wurde in Zürich am 8. September 1930 geboren.
  2. Er hat sein Talen in Zahlreichen Filmen und Serien zur Schau gestellt.
  3. Zu seinem 90. Geburtstag blickt Hartmut Wilmes auf die Karriere des renommierten Schauspielers zurück.

Köln – „Schauen Sie mal böse“, hat Regisseur Robert Siodmak den Jungmimen aufgefordert – und ja, das konnte Mario Adorf. So bekam er die Hauptrolle in „Nachts, wenn der Teufel kam“ (1957), verlieh dem „Massenmörder“ Bruno Lüdke diabolische Züge und stieß so das Tor zum internationalen Filmgeschäft auf.

Erst später stellte sich heraus, dass der kranke Lüdke wohl keins seiner angeblichen Verbrechen begangen hatte und von den Nazis zu Unrecht als Monster hingerichtet worden war. „Ich habe ihm Unrecht getan“, bekannte der schuldlose Schauspieler 2019 bei einem Auftritt in Köln.

Mit kantigem Kinn und pechschwarzem Schnäuzer schien er für Schurkenrollen wie gemacht. Und als er in „Winnetou 1“ Nscho-tschi, die Schwester des edlen Apachen erschoss, schob das erboste Publikum diese Untat nicht der Filmfigur Santer, sondern Adorf persönlich in die Schuhe.

Große Momente

„Es hätte schlimmer kommen können“ heißt dennoch zu Recht ein Dokumentarfilm über Mario Adorf, der am nächsten Dienstag 90 Jahre alt wird. Wie dieser Mime mit einer Szene eine ganze Serie „stehlen“ konnte, zeigte er in „Kir Royal“ als Kleberfabrikant, den Klatschreporter „Baby“ Schimmerlos partout nicht im Pantheon der Schickeria sehen will. Worauf Haffenloher in „diesem gefährlich gemütlichen Kölsch“ (Adorf) droht: „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Jeld.“

Den rheinischen Singsang lieh der Schauspieler auch seinem Kommissar in Volker Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ sowie dem treuherzigen Nazi-Mitläufer Alfred Matzerath im Cannes-Sieger „Die Blechtrommel“. Dessen großen Moment, als er sich doch gegen die SS stellt, die seinen zwergenhaften Sohn Oskar ins Euthanasielager bringen will, hatte Schlöndorff anfangs herausgeschnitten. 30 Jahre später war die Szene sehr zur Freude des Darstellers im „Director’s Cut“ wieder zu sehen.

Der Autor Adorf

Seit seinem Prosadebüt 1992 („Der Mäusetöter“) hat der Schauspieler acht weitere Bücher veröffentlicht, die bei Kiepenheuer & Witsch verlegt werden. Die meisten davon sind persönliche Erinnerungen an seine Karriere (etwa „Schauen Sie mal böse“), eins widmete er allein seiner Mutter („Mit einer Nadel nur“). Vier erzählen vor allem Geschichten aus Adorfs langjähriger Wahlheimat Italien (etwa „Der Dieb von Trastevere“).

Bei KiWi erschien zuletzt auch Tim Pröses Biografie „Mario Adorf. Zugabe!“ (Wi.)

Mario Adorf wurde in Zürich am 8. September 1930 als uneheliches Kind eines kalabrischen Chirurgen und einer deutschen Röntgenassistentin geboren. Er wuchs in einem Waisenhaus im Eifelort Mayen auf, bevor ihn die alleinerziehende Mutter wieder zu sich nahm. „Ihr Nähmaschinenrattern wurde mein Nachtlied“, erinnert sich der Sohn.

Eigentlich hatte er die Karriere schon verstolpert, als ihn bei der Aufnahmeprüfung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule der Schwung der Schiller-Verse von der Bühne riss. Doch Kammerspiel-Intendant Hans Schweikart sah beim Neuling „Kraft und Naivität“ und gab ihm die entscheidende Chance.

Vom Theater ins Kino

Das Theater verlor den jungen Mann allerdings rasch ans Kino. Adorf verdiente als Finsterling in internationalen B-Filmen wie „Der letzte Ritt nach Santa Cruz“, „Vergeltung in Catano“ oder „Fahrt zur Hölle, ihr Halunken“ bestens. Dennoch blieb seine Münchner Begegnung mit Fritz Kortner und dessen Ringen um jeden Satz, jede Geste nicht folgenlos. So spielte er in Filmen von Sam Peckinpah und Claude Chabrol, bekam eine kleine Rolle in Billy Wilders „Fedora“ und verkörperte Mussolini in „Die Ermordung Matteottis“.

In den 70ern entdeckten ihn die Jungfilmer, neben Schlöndorff auch Rainer Werner Fassbinder („Lola“) und Reinhard Hauff („Der Hauptdarsteller“). Fast zehn Jahre nach „Kir Royal“ stand er 1997 als Titelheld in Helmut Dietls „Rossini“ nicht mehr vor den Pforten der Bussi-Gesellschaft, sondern als italienischer Promi-Gastwirt mitten in der Manege der Eitelkeiten.

Die verschiedensten Rollen

Wer an Adorfs Schauspielkunst zweifelt, muss jene Szene sehen, in der Rossini vom blonden Liebreiz der Aktrice „Schneewittchen“ (Veronica Ferres) so entflammt wird, dass er mitten im Platzregen die Restaurant-Terrasse decken lässt. Und wie es ihn später fast zerreißt, als sich die Angehimmelte ausgerechnet mit seinem besten Freund (Götz George als Regisseur Uhu Zigeuner) zum „Vorsprechen“ zurückzieht…

Dass ihn Dietl nicht für „Schtonk!“ verpflichtete, hat Adorf gekränkt, der große Rollen als Kaufhauszar („Der große Bellheim“) oder Unterweltkönig („Der Schattenmann“, beide Dieter Wedel) oft eher im Fernsehen fand.

Dutzende Filmtode

Privat genießt der Schauspieler, nach erster Ehe mit Lis Verhoeven seinerzeit für viele Affären bekannt, seit rund 50 Jahren in Saint-Tropez sein Glück mit der französischen Ehefrau Monique Faye. Dutzende Filmtode ist er gestorben, den bizarrsten in der „Blechtrommel“, wo Alfred sein NSDAP-Abzeichen verschluckt und kurz vor dem Ersticken von russischen Soldaten erschossen wird.

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Beim Kölner Auftritt auf seiner allerletzten Tournee hatte Mario Adorf gesagt: „Auch ich selber werde weg sein, vielleicht nicht vollständig, aber ohne die Erwartung auf etwas.“