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„Mein Leben in deinem“Im neuen Roman singt Jojo Moyes ein Lied auf die Frauenfreundschaft

Lesezeit 4 Minuten
Jojo Moyes zum Buch Mein Leben in deinem

Jojo Moyes zum Buch Mein Leben in deinem

„Someone Else’s Shoes“, die Schuhe von jemand anderem, heißt der neue Roman von Jojo Moyes. Genüsslich kombiniert Moyes hier Herzschmerz mit abstrusen Situationen. Unser Lesetipp

„Kann man dafür belangt werden, die Kleidung von jemand anderem zu tragen?“ Auch wenn sich Sam Kemp diese Frage stellt, hat sie keine andere Wahl: Nachdem sie bei einem hektischen Aufbruch aus dem Fitnessstudio in Flipflops eine falsche Tasche gegriffen hat, bleibt ihr auf dem Weg zum nächsten Geschäftstermin nichts anderes übrig: Sie muss in das Paar „Christian Louboutins“ (das sind die mit der berühmten roten Sohle!) steigen.

„Someone Else’s Shoes“, die Schuhe von jemand anderem, heißt der neue Schmöker von Jojo Moyes. Der deutsche Titel „Mein Leben in deinem“ greift den romantischen Ton der anderen Bestseller der Engländerin wie „Ein ganzes halbes Jahr“ oder „Mein Herz in zwei Welten“ auf.

Am liebsten würde man den Roman in einem Rutsch lesen

Schmöker – das ist beileibe nicht despektierlich gemeint. Die 500 Seiten starke Geschichte möchte man in einem Rutsch durchleben, so geschickt hat Moyes den Plot konstruiert. Über das eine oder andere Loch in der Geschichte liest man dann einfach mal hinweg.

In den geliehenen Schuhen kann Sam allerdings nur kurzfristig Erfolge erzielen. In einem Alltag mit mobbendem Chef und depressivem, arbeitslosem Ehemann helfen maßgefertigte Designerstilettos nur bedingt.

Und die Frau, der die Schuhe gehören, bräuchte sie unbedingt wieder. Nisha hat fast 20 Jahre lang ihr Leben nach dem ihres reichen Gatten ausgerichtet, doch von einem Moment zum anderen soll sie, die Ehefrau Nr. 2, durch Nummer 3 ausgetauscht werden. Noch-Ehemann Carl lässt ihr für den Moment nichts: Keine Kleidung, kein Geld, kein Garnichts. Eine Scheidungsvereinbarung soll es nur geben, wenn sie ihm die Louboutins überlässt. Und so macht sich die versnobte Amerikanerin quer durch London auf die Suche nach dem Schuhwerk, das die Grundlage für ihr Leben als Ex-Frau bilden wird. Dass Carl kein Schuhfetischist, sondern nur ein Gangster ist, bekommt Nisha im Laufe der Geschichte zusammen mit Sam raus.

Eine gewohnt gekonnte Mischung

Genüsslich kombiniert Moyes Herzschmerz mit abstrusen Situationen und im wahrsten Sinne des Wortes atemraubenden Momenten. Und jemanden mit einem Hygienefimmel unter einem Hotelbett einem ehelichen Stelldichein beiwohnen zu lassen, zeugt schon von einer Autorin mit einem nicht gerade underben Humor.

Doch neben der Geschichte mit ihren bisweilen aberwitzigen Wendungen stehen Themen im Mittelpunkt, mit denen sich Frauen (und seltener auch Männer) Mitte 40 herumschlagen müssen: Das Zuhause will in Ordnung, die Ehe in Schwung, dei Kinder in Schach gehalten werden. Und die betagten Eltern brauchen mehr ein größeres Zeitfenster an Zuwendung als sich in einem 24-Stunden-Tag einer vollberufstätigen Frau finden lässt. Und fast nebenbei bekommt das britische Gesundheitswesen einen Watschen, wenn Sam monatelang auf einen Arzttermin beim National health Service warten muss. Hier können Leserinnen jeglicher Generation andocken, während sie beim tiefen Fall der superreichen Nisha gemütlich zum Popcorn greifen dürfen.

Vor allem aber singt Jojo Moyes das Hohe Lied der Frauenfreundschaft. Da können Jahrzehnte ins Land gehen, sich Ehemänner quer stellen, Kinder ihre eigenen Köpfe und männliche Vorgesetzte das Sagen haben: Die beste Freundin ist und bleibt ein verlässlicher Anker. Wohl der, die sie hat.

Jojo Moyes: Mein Leben in deinem. Roman, deutsch von Karolina Fell. Wunderlich, 512 S., 25 Euro.

Auf der lit.Cologne stellt Jojo Moyes das Buch am 2.3., 21 Uhr in den Sartory-Sälen zusammen mit Angela Spizig und Theresa Hämer vor.


Jojo Moyes: Eine Frau, die wirklich weiß, wovon sie schreibt

Die Britin wurde als Paulina Sara Jo Moyes im August 1969 im englischen Ort Maidstone geboren. Bevor sie mit ihren Romanen erfolgreich wurde, arbeitete sie als Journalistin zehn Jahre lang für „The Independent“.

2002 wurde ihr erstes Buch „Sheltering Rain“ (deutsch: „Die Frauen von Kilcarrion“) veröffentlicht, ihr vierter Romanversuch. Den internationalen Durchbruch schaffte sie 2012 mit „Me Before You“, das in Deutschland mit dem Titel „Ein ganzes halbes Jahr“ veröffentlicht und weltweit sechs Millionen mal verkauft wurde. Für die 2016 erschiene Filmversion (Foto) mit Emilia Clarke, die „Mutter der Drachen“ aus der Serie „Game of Thrones“ schrieb Moyes auch das Drehbuch.

Bei Eheproblemen weiß Jojo Moyes, wovon sie schreibt: Vom Journalisten Charles Arthur, mit dem sie drei Kinder hat, ist die 53-Jährige seit einiger Zeit geschieden. (HLL)