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Schau im Max Ernst MuseumPhantastische Wesen in Brühl erzählen die Welt neu

Lesezeit 4 Minuten
In der Ausstellung „Hypercreatures“ zeigt Marco Brambilla seine Videocollage.

In der Ausstellung „Hypercreatures“ zeigt Marco Brambilla seine Videocollage.

Max Ernst Museum entwirft in „Hypercreatures - Mythologien der Zukunft“ Visionen. 

Enorme Sogkraft entfaltet Marco Brambillas wandfüllende Videocollage, die den bildmächtigen Auftakt zur Ausstellung „Hypercreatures – Mythologien der Zukunft“ im Max Ernst Museum bildet. Der Videokünstler kombiniert darin temporeich Material aus Hollywood-Blockbustern von den 1960er Jahren bis 2012 zu einer neuen Heldengeschichte mit positivem Ausgang.

Reaktion auf globale Krisen

Ziemlich unauffällig nimmt sich da wenige Schritte weiter eine frühe Collage von Max Ernst aus, für die er mit der Schere Fragmente aus unterschiedlichsten Quellen zu einem Mischwesen zusammengefügt hat. Gestalten mit Vogelköpfen oder Drachenflügeln und Mischformen aus Mensch, Pflanze und Meerestieren begegnet man in großer Zahl auch in seinem 1934 veröffentlichten Collageroman „Une semaine de bonté“.

Auf den Spuren des Surrealisten wandeln 26 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus 16 Ländern, die sich mit ganz unterschiedlichen Beiträgen der Frage stellen, wie „angesichts akuter globaler Krisen die Rolle des Menschen neu gedacht werden kann“, so die Kuratoren Patrick Blümel und Sophia Naumann.

Sie geben „Anstöße für die Entwicklung neuer Welt-Erzählungen“ und bedienen sich dabei multimedialer Techniken der Collage. Neben Video-Installationen, Gaming und Virtual Reality behaupten sich Skulpturen, die mit dem 3D-Drucker kreiert wurden, Keramiken und Malereien, in denen sich Mensch, Tier, Pflanze und Maschine zu neuen Hybridwesen verbinden. Im Halbdunkel des Ausstellungssaales werden Besucherinnen und Besucher dazu angeregt, in die ebenso verstörende wie faszinierende Welt der „Hypercreaturen“ einzutauchen, die das Museum vorübergehend in ein „spekulatives Biotop“ verwandeln.

Fantastische Erzählungen

Beim Rundgang erfährt man im Dialog mit Werken von Max Ernst eine Fülle von Sinneseindrücken und fantastischen Erzählungen. Im Zentrum stehen dabei Aspekte der Fürsorge und Verbundenheit, des Miteinanders, des Entdeckens und Veränderns. Das Künstlerkollektiv Troika hat in historischen Museen antike Skulpturen gescannt, mittels 3D-Drucker ausgedruckt, fragmentiert und neu zusammengesetzt – etwa zu einer Mischung aus Kranich und Raubkatze oder einem vielteiligen „Phoenix Faun“, den eine spezielle Aura umgibt.

Auf einen Faun trifft man auch auf einer Mixed Media Collage von Anys Reimann, die in ihren komplexen Werken ihre Identität als schwarze Frau thematisiert. Angelo Plessas stilisiert sich selbst zum Hauptdarsteller in einem Video, das in trashiger Ästhetik eine Anleitung zur Meditation bietet.

Mary-Audrey Ramirez, nach eigener Aussage eine begeisterte Gamerin an der Playstation, konterkariert die üblichen Ballerspiele in ihrer Version durch eine betont langsame Erzählweise. Hier dürfen Besucher selbst aktiv werden und ein totes Wesen wiederbeleben. Ramirez’ Soft Sculptures zeigen Kreaturen, die sich in Transformation befinden.

Suzanne Kite und Devin Ronneberg reflektieren über schwindende Ressourcen und beziehen dabei auch die indigene Perspektive mit ein. Kévin Bray lässt die Grenzen zwischen Objekt und Projektion in seiner Arbeit „Bullbear Dynamics“ raffiniert verschwimmen. Er hat mittels eines 3D-Druckers ein Janusköpfiges Wesen mit Bullen- und Bärenkopf kreiert, das von einem Video überblendet wird, das steigende und fallende Börsenkurse in vielfacher Bewegung vorführt.

Unterwasserwelten inspirierten

Inspiriert von Unterwasserwelten sind die sich nach oben öffnenden filigranen Keramiken von Nina Paszkowski, die gleich an mehren Stellen platziert sind, und das Video von Eva Papamargariti. Federico Cuatlacuanti beteiligt sich mit einer in Zentralmexiko aufgenommenen 3- Kanal-Video-Installation, in der er eine Emigrantengeschichte erzählt. Von ihm stammen auch die kostümartigen Skulpturen, man ebenso tragen könnte wie die Vogelmasken von Linda Jasmin Mayer, mit denen sich am eigenen Leib Erfahrungen von Verwandlung und Zugehörigkeit verspüren lassen.

Auch bei Eva Papamargaritis auf einen Fadenvorhang projiziertes Video kann man Teil des Kunstwerks werden. Ein Anziehungspunkt der Ausstellung dürfte Lu Yangs viereinhalbminütiges Video werden. Himmel und Hölle, Engel und Teufel mutieren auf riesiger Leinwand in Aufsehen erregenden Bildern zu einem neuen Wesen, in dem beider Charaktere sich verbinden.

Bis 5. Oktober, Di bis So von 11-18 Uhr.

Öffentliche Führungen finden jeden Samstag und Sonntag von 15 bis 16 Uhr statt., eine Direktorinnenführung mit Madeleine Frey ist für den 11. April terminiert.

Am 5. September wird der biographische Film „Leonora in the morning light“ gezeigt, der das Leben der surrelistischen Künstlerin zeichnet, die Max Ernst 1937 begegnete. „Kunst & Dinner“ lassen sich am 5. Oktober verbinden.

Im Anschluss an eine Führung durch Madeleine Frey und Kurator Patrick Blümel kann man ein Drei Gänge-Menü im Bistro „Le petit Max“ genießen.