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Marc Chagall in FrankfurtVersöhnliche Traumbilder in einer „Welt in Aufruhr“

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Da Bild „Der Engelsturz“ malte Marc Chagall in Öl auf Leinwand.

Das Bild „Der Engelsturz“ malte Marc Chagall in Öl auf Leinwand.

Die Frankfurter Schirn zeigt derzeit gut 70 Werke Marc Chagalls in der Ausstellung "Welt in Aufruhr". Der in Weißrussland geborene Jude war sein Leben lang unterwegs, in seinen Bildern klingt jedoch Versöhnlichkeit mit dem Schicksal an.

Engel fliegen durch die Welt, Menschen auch, als sogenannte „Luftwesen“ und bisweilen zieht auch ein Schlitten mit einem Mädchen und einem Hahn durch die Luft, während ein kleines Dorf im Schnee darunter auf dem Kopf steht.

Zwischen Paris und Moskau

In guten Zeiten ist die Welt ist voller Musik und Farben und manchmal liegt eine Geige vor einer sanftäugigen Kuh. „Wenn man nur Träume hat, kann man alles machen,“ sagte der Abenteurer Guirec Soudain und umsegelte mit seiner Henne Monique die Welt, und das könnte auch auf den Maler Marc Chagall (1887 – 1985) zutreffen, der sein Leben lang seine Träume in seinen Bildern zu visualisieren suchte.

In der Frankfurter Schirn sind nun unter dem Titel „Welt in Aufruhr“ rund 70 Bilder zu sehen. Ein weit gespannter Bogen führt durch die Biografie Chagalls und damit zugleich durch das krisengeschüttelte 20. Jahrhundert, dessen Verwerfungen den in Witebsk in Weißrussland geborenen Juden mit voller Härte getroffen haben und die er doch in großer Versöhnlichkeit in seinen Traumbildern umgewandelt hat.

Und wie sein Volk immer wieder weiter wandern musste, so war auch der Künstler ein Leben lang unterwegs. Chagall hat sich nie als orthodoxen Juden bezeichnet. Er will zunächst aus dem engen Schtetl hinaus in die große Welt, natürlich nach Paris, dem Sehnsuchtsort aller Künstler, die die Freiheit in der Moderne entdecken. Doch immer wieder geht es in die Gegenrichtung zurück nach Moskau, wo der Künstler in Zeiten der Russischen Revolution (1917) dem revolutionären Umschwung vertraute, und in Witebsk eine eigene Kunstakademie einrichtet, die allerdings nur ein Jahr Bestand hat.

Bald wurde alles durch die NS-Diktatur überschattet und die Einsamkeit wird 1933 mehr und mehr zur Begleiterin, wie das Bild des trauernden Rabbiners zeigt, der umhüllt von seinem langen weißen Mantel mit seiner Thorarolle im Arm am Wegesrand sitzt. Eine weiße Kuh liegt daneben, vielleicht spielt sie die Geige, rechts im Hintergrund sind die französischen Kathedraltürme erkennbar, links die Kuppeln von Witebsk. Noch denkt man nicht an das Schlimmste.

Doch 1941/42 ist es so weit. Die Familie mit der geliebten Bella und der kleinen Ida kann gerade noch nach New York emigrieren. 1944 verstirbt Bella. Immer wieder arbeitet Chagall an seinem vielleicht großartigsten Gemälde, dem „Engelsturz“, das ihn ins Exil begleitet hat. Der Künstler bezeichnet es nach 1945 als das erste Bild seiner „Vorahnungen“. In brennendem Rot erscheint der stürzende Engel, der in der letzten Fassung den Mund geöffnet hat, so als hätte er selbst Angst vor dem was ihn dort unten auf der Welt erwartet.

Bibel illustriert

Links im Vordergrund versucht ein Rabbiner die Thorarolle zu retten und rechts erscheint ein Christus am Kreuz, angetan mit einem Tallith, dem jüdischen Gebetsmantel. Chagall ist inzwischen überall anerkannt, seitdem der französische Verleger Vollard ihm Illustrationsaufträge für die Fabeln von La Fontaine und auch für die Bibel gegeben hat. Für den im chassidischen Judentum beheimateten Künstler „gibt es nichts, worin Gott nicht sei“ und in solchem mystischen Durchscheinen werden seine in wunderbaren Prismen-Farben gehaltenen Erzählungen eher zu „Erscheinungen“ als zu abgebildeter Realität oder verwandeltem Surrealismus.

„Wenn ich zweifelte, hat mich die Größe und hochpoetische Weisheit der Bibel beruhigt. Sie ist wie eine zweite Natur für mich. Ereignisse im Leben und die Kunstwerke sehe ich durch ihre Weisheit“. Bis 19. Februar, Sa, So, Di und Fr 10 –19 Uhr, Mi bis Do 10 – 22 Uhr, geöffnet an beiden Weihnachtsfeiertagen und Silvester von 10 – 17 Uhr und am 1. und 2. Januar von 10 –19 Uhr, Frankfurt, Römerberg.