Am 12. November wäre Loriot 100 geworden. Aus diesem Anlass zeigt die ARD eine neue Dokumentation des Kölner Filmemachers André Schäfer.
100. Geburtstag von LoriotDer Mann, über den (fast) jeder lachen kann
„Ich erinnere mich daran, dass ich am Bildschirm klebengeblieben bin und dachte: der ältere Herr, der hat einen an der Marmel, das guck' ich mir genauer an.“ Und so wie Hape Kerkeling ist es praktisch ganz Deutschland gegangen: Über Loriot (1923-2011) kann man imer noch lachen und ist gleichzeitig fasziniert.
Am 12. November hätte der begnadete Komiker, Karikaturist, Autor, und Regisseur seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass hat André Schäfer eine Hommage gedreht, die am 6. November in der ARD zu sehen ist.
In der filmischen Verbeugung kombiniert der Kölner Filmemacher die bekannten Sketche mit Ausschnitten aus frühen Sendungen und TV-Interviews, die Loriot über die Jahre gegeben hat. Und er lässt Kollegen und Weggefährten zu Wort kommen: Von Hape Kerkeling bis Mirja Boes, von Gerhart Polt bis Oliver Kalkofe sowie viele Loriot-Darsteller berichten von persönlichen Begegnungen und Erinnerungen an berühmte Sketche – und erzählen auf diese Weise auch ein Stück deutsche Geschichte.
„Uns ist in der Zeit zwischen 1933 und 1945 der subversive Humor völlig abhandengekommen, weil jeder, der diese Kunst betrieben hat, verschwunden, emigriert ist oder getötet wurde“, sagt Hape Kerkeling. „Und so gab es in der jungen Bundesrepublik eine Leere.“
Bewusst oder unbewusst: Der junge Vico von Bülow, der selber zwischen 18 und 21 während des Krieges drei Jahre in Russland verbringen musste, geht daran, diese Lücke zu schließen.
Zunächst als Karikaturist, etwa für „Pardon“ oder den „Stern“. „Nach etwa 20 Lehrjahren sah ich mich nun imstande, ein kleines Männchen zu zeichnen, das mich bis heute ernährt“, frotzelt Loriot über seine Anfänge.
Später beginnt er, für das Fernsehen zu arbeiten, entwickelt seine ersten Bewegtbilder. Für die Sendung „Der Große Preis“ erfindet er den sprechenden Hund Wum, der sich mit seiner „kleinen Miezekatze“ an die Spitze der Verkaufscharts singt.
Im März 1976 lief schließlich die erste von sechs Folgen jener Serie, die den gebürtigen Brandenburger unsterblich machte. „Loriot hat es geschafft, dass er eine überschaubare Menge an Material geliefert hat, aber dafür ist das derart ins deutsche Kulturgut übergangen, dass ein Großteil der Menschen alles zitieren kann“, sagt Oliver Kalkofe.
Schlagworte oder Phrasen wie Jodeldiplom, Kosakenzipfel, Kalbshaxe Florida, „Es saugt und bläst der Heinzelmann“, „Früher war mehr Lametta“, „Ein Klavier, ein Klavier“ oder „Hildegard, sagen Sie jetzt nichts!“ setzen die entsprechende Szene vor dem geistigen Auge in Gang. Eine Anhäufung von englischen „th“ lässt sofort an Evelyn Hamanns kläglichen Versuch denken, den Inhalt einer britischen Serie zusammenzufassen.
„Es ist mir auch schon passiert, dass ich das eine oder andere Zitat übernommen habe, im guten Glauben, es sei von mir“, gibt Hape Kerkeling zu.
„Da war kein Gramm Fett an den Dialogen, jeder Satz passte, jedes Wort passte, und es war immer auf den Punkt“, attestiert Oliver Kalkofe. Da stimmten Wortwahl, Tempo und Timing. Aber das hatte seinen Preis: Loriot war ein Perfektionist.
Katja Bogdanski ging noch zur Grundschule, als die Rolle des Dickie „Zicke Zacke Hühnerkacke“ Hoppenstedt bekam – für sie bis heute das „schönste Erlebnis meines Lebens“. „Ich habe ihn als unheimlich nett, aber auch liebevoll in Erinnerung. Geduldig, aber er konnte auch streng werden.“
So ließ Loriot seinerzeit Szene um Szene wiederholen, wenn etwas nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte. „Das wurde so oft geprobt, bis ich als Kind auch irgendwann mal keine Lust mehr hatte. Da kullerten auch schon mal die Tränchen.“
Wenn man eine Szene 20 Mal wiederholt habe, sei er dennoch nie unhöflich geworden, sondern habe immer gesagt: „Wir können's ja noch mal anders probieren“, beschreibt die Schauspielerin Dagmar Biener die Dreharbeiten. „Er ist aber in dem Haus bei ,Ödipussi' auch selber 20 Mal die Treppe rauf- und runtergerannt. Er hat sich nicht geschont!“
Wenn er merke, ein Schauspieler sei „noch nicht so weit, aber ich weiß, er kann das besser, ich müsste doch ein Hundsfott sein, wenn ich ihm diese Gelegenheit nicht böte“, erklärt Loriot seine Arbeitsweise.
Loriot hat vielleicht nicht so sehr in Sachen Sprache dem Volk aufs sprichwörtliche Maul geschaut, aber ansonsten sehr genau beobachtet. „Man hat sich selbst darin gesehen – oder zumindest das, was man von zu Hause kannte“, sagt Helge Schneider, der diese gewisse Spießigkeit auch bei sich selbst beobachtet und kein Bild schief hängen sehen kann. Auch Teppiche müssen im Hause Schneider gerade liegen, es sei denn, sie sind rund.
Und so hat jeder vieles selbst schon auf die eine oder andere Weise erlebt oder erlitten oder bei der puckeligen Verwandtschaft beobachten können. Spätestens bei der weihnachtlichen Geschenkeschlacht der Familie Hoppenstedt werden alle zustimmend nicken können.
Doch für von Bülow lag hinter all den Alltagsalbernheiten ein tieferer Sinn: „Eine Satire ist eine Sache, die sich grundsätzlich gegen die Macht richtet“, so Loriots Credo. „Ich bin immer gefragt worden, warum in meinen Sendungen Politiker eine so geringe Rolle spielen. Das liegt einfach daran: Wenn die Satire sich gegen die Macht richten soll, sie sich nicht gegen die richten muss, die die Macht haben. In einer funktionierenden Demokratie soll die Macht beim Volk, beim Wähler liegen. Also, entweder wir geben zu, dass wir keine Demokratie haben. Oder wir haben sie, und dann ist die Zielrichtung der Satire der Wähler. Und nicht diese paar Nasen da oben.“
Wobei Hape Kerkeling da eine besondere Beobachtung gemacht hat: „Unser Bundeskanzler sieht doch aus wie Dr. Klöbner“, mit Blick auf die beiden Männer in der Badewanne. „Das hätte Loriot noch erleben müssen: Dass wir einen Bundeskanzler haben, der aussieht, wie diese Knollenmännchen.“
„Loriot 100“: ARD, 6.11., 20.15 Uhr sowie ab 4.11. in der ARD-Mediathek.