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Livestream aus KölnOper „Die tote Stadt“ wird zum technischen Desaster

Lesezeit 3 Minuten
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Trauer, Liebe, Wahnsinn: Burkhard Fritz und Ausrine Stundyte in Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“.

Köln – Natürlich war es nicht so beabsichtigt, aber der Livestream der coronabedingt publikumslosen Premiere von Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“, den die Kölner Oper am Freitag ins weltweite Netz schickte, wurde in ihrer nervtötenden Ruckeligkeit zu einem schlagenden Argument für einen echten Theaterbesuch. Nach der Premiere sah sich die Oper deshalb veranlasst, alle Online-Zuschauer, die ein kostenloses beziehungsweise ein Spenden-Ticket erworben hatten, per Mail zu benachrichtigen und ihnen die Aufnahme als ruckelfreies Video on demand zur Verfügung zu stellen.

Leidtragende der gravierenden technischen Panne waren natürlich auch die Ausführenden, die einen phänomenalen Job gemacht hatten: Die intelligente und psychologisch tief lotende Regie Tatjana Gürbacas, die großartig besetzten Hauptpartien und ein unter Leitung von Gabriel Feltz im Klangrausch schwelgendes Gürzenich-Orchester wurden den hohen Erwartungen gerecht, die man an diese Jubiläumsinszenierung geknüpft hatte. Gefeiert wurde die Uraufführung der Oper auf den Tag hundert Jahre zuvor, die parallel in Hamburg und in Köln über die Bühne ging. Das Werk des gerade einmal 23-jährigen Komponisten mit der Wunderkind-Vergangenheit dirigierte in Köln damals der große Otto Klemperer, was die musikalische Qualität der Partitur, die sich fantasievoll und souverän in den Klangwelten der großen Zeitgenossen Strauss, Puccini oder Schreker bewegt, markant unterstrich.

Traumsequenzen einer Doppelgängerin

Die Geschichte, die Korngolds Vater Julius Korngold unter dem Pseudonym Paul Schott  nach dem Roman „Bruges-la-Morte“ von Georges Rodenbach entwickelt, ließe sich mit seiner Todes- und Doppelgängerthematik durchaus in der Nähe eines ETA Hoffmann verorten. In der Figur des Paul, der in der Tänzerin Marietta die Züge seiner verstorbenen jungen Frau Marie erkennt, sieht Regisseurin Gürbaca jemanden, der unter ständiger Beobachtung steht. Und mit ihm seine Trauer.

Der von Stefan Heyne gestaltete runde Raum lässt ihm keine Privatsphäre, auf dieser Drehbühne bleibt nichts verborgen, selbst wenn der Vorhang sich schließt erscheinen Videos (Sandra van Slooten und Volker Maria Engel) wie Traumsequenzen auf der Oberfläche des Drehbühnenzylinders und präsentieren tiefe Seeleneinblicke. Die von einsamen Gestalten spärlich besetzten Barhocker vor der riesigen runden Theke kühlen die Atmosphäre auf den Zustand von Edward Hoppers „Night Hawks“ herunter. Zugleich bieten die Plätze den perfekten Blick auf das Geschehen.

Erstklassige Besetzung überzeugt

Die Sopranistin Ausrine Stundyte und der Tenor Burkhard Fritz entfalten mit ihrem nuancenreichen Gesang und Siel ein packendes Psychodrama. Man erlebt den sich immer weiter steigernde Wahnsinn Pauls ebenso intensiv wie die Gefühle Mariettas, die als kühl berechnende Frau die Bühne betritt und am Ende Paul mit einer verzweifelten erotischen Offensive Marie vergessen machen will. Dass sie dazwischen auch noch als Erscheinung Maries auftritt und vor allem - in einer Oper-in-der-Oper-Szene - die „Totenerweckung von Helene“ aus „Robert der Teufel“ von Giacomo Meyerbeer in einer weiteren Spiegelung ihrer Figur glänzt, zeigt ihre ganze Klasse. Klar, dass die extremen seelischen Zustände, die hier geschildert werden, auch stimmlich einen extremen Einsatz fordern. Die beiden Hauptpartien zählen zu den jeweils schwierigsten ihres Fachs und sind in Köln erstklassig besetzt.

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Das soll die Leistung der kleineren Rollen nicht schmälern. Dalia Schaechter (Brigitta), Wolfgang Stefan Schwaiger (Frank), Anna Malesza-Kutny (Juliette), Regina Richter (Lucienne), Martin Koch (Graf Albert) und John Heuzenroeder (Victorin) stehen für eine imposante Ensembleleistung. Ebseno der von Rustam Samedov einstudierte Chor, der durch die Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik noch klangschön verstärkt wurde.Dirigent Gabriel Feltz hielt Gesang und den opulenten Orchesterklang in einer klug austarierten Balance, die zugleich die üppigen Orchesterfarben markant aufleuchten und ihren expressiven Gehalt wirken ließ. Man darf sich auf das hoffentlich bald erfolgende Live-Erlebnis im Staatenhaus freuen.