Im Rahmen der lit.Cologne las Helene Hegemann aus ihrem neuen Roman "Striker". Durch den Literaturabend in der Kölner Comedia führte Moderatorin Maria-Christina Piwowarski.
lit.CologneHelene Hegemann liest in der Comedia aus ihrem Roman „Striker“

Autorin Helene Hegemann (r.) auf der lit.Cologne 2025 im Gespräch über ihren neuen Roman "Striker" mit Moderatorin Maria-Christina Piwowarski.
Copyright: Hieronymus Rönneper
Ihre Aussagen, ihre Sätze haben Wucht. Fast stakkato-haft hämmert Helene Hegemann ihre Texte in die Köpfe ihrer Leser. „Manchmal muss man beim Lesen regelrecht Luft holen“, beschreibt Moderatorin Maria-Christina Piwowarski den besonderen Erzählstil von Hegemann beim Leseabend der lit.Cologne in der Kölner Comedia.
Atmen ist auch für eine Sportlerin im überaus harten und anstrengenden Kampfsport in der Version der „Mixed Martial Arts“ (MMA) eminent wichtig. Hegemanns Protagonistin in ihrem neuen Roman „Striker“ erzählt von so einer Extremsportlerin. Sie heißt nur „N“, wohnt im Berliner Party- und Drogen-Stadtteil Friedrichshain und bereitet sich auf den nächsten Kampf gegen ihre größte Gegnerin beim in wenigen Wochen stattfindenden Meeting im georgischen Tiflis vor.
Manchmal muss man beim Lesen regelrecht Luft holen.
„Es musste eine Hauptfigur sein, die mit ihrem Körper Geld verdient – aber auf eine eher sinnlose Weise“, beschreibt die in Berlin lebende Autorin ihre Gedanken zu Beginn ihrer Arbeit an „Striker“. Es wäre eine gute Gelegenheit für die Moderatorin gewesen, kritisch zu hinterfragen, warum Hegemanns Kämpferin ausgerechnet aus der MMA-Szene kommen musste, einer Sportart, die wegen ihrer Brutalität hoch umstritten ist. Zur Sprache kam allerdings, dass die Autorin selbst jahrelang Kampfsport betrieben hat und somit klar wurde, warum ihre Beschreibungen einer Kämpferin so authentisch sind.
Aber „N“ ist nicht nur im Zweikampf eine wache und genaue Beobachterin, sondern auch bei der Betrachtung der Menschen in ihrem Kiez. Manchmal trainiert sie nachts, weil sie keinen Schlaf findet, und läuft stundenlang durch die Straßen Berlins. Wenn sie morgens dann ihren Kaffee trinkt, schaut sie den Drogis und Obdachlosen bei ihren tagtäglichen, zum Teil skurrilen Ritualen zu, hört dazu die Techno-Mucke aus den nahe gelegenen Clubs, wo Hipster mit Geld sich vergnügen.

Liest aus ihrem Roman "Striker" im Comedia-Saal: Helene Hegemann.
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Es musste eine Hauptfigur sein, die mit ihrem Körper Geld verdient – aber auf eine eher sinnlose Weise.
Verstörende Begegnung mit einer Obdachlosen
Und dann trifft sie auf Ivy, eine Obdachlose, die sich in ihrem Haus breitmacht mit ihren Taschen und Tüten voller Kram. Die kampferprobte Ende 20-jährige „N“ gerät aus dem Gleichgewicht. Ivy löst etwas in ihr aus, mit dem sie nicht klar kommt. Sie sieht ihr sogar ähnlich. „N“ hat eine diffuse Angst, auf der Straße zu landen – so wie Ivy.
Hegemann erklärt im Buch und auch an diesem Abend nicht, warum und was mit ihrer Protagonistin passiert, sie beschreibt einfach, was „N“ in den einzelnen Situationen und Begegnungen denkt. Es sind oft nur Fetzen, die sich mal zusammensetzen lassen, mal auch nicht. Man wird beim Lesen das Gefühl nicht los, dass diese existenzielle Unsicherheit jedem passieren könnte.
Im Training lernt „N“, rundenlang Schläge zu ertragen, um dann im entscheidenden Moment zuzuschlagen. Was ihr beim Kämpfen gelingt, bekommt sie bei Ivy nicht hin. Warum, bleibt ein Geheimnis. Genauso wie Striker, der Graffiti-Künstler, der die „Brandmauer“ gegenüber von „N“ Wohnung gesprayt hat.
Helene Hegemann: Striker. Kiepenheuer & Witsch-Verlag. S. 256. 23 Euro