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Düsseldorfer KünstlerKarl Schwesig – Von den Nazis verfolgt und misshandelt

Lesezeit 4 Minuten
Werk des Malers Karl Schwesig.

Werk des Malers Karl Schwesig, der von den Nationalsozialisten verfolgt wurde.

Über 500 Werke von Karl Schwesig haben im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen eine neue Heimat gefunden.

Wie kein anderer Künstler hat sich der Düsseldorfer Maler und Grafiker Karl Schwesig (1898 bis 1955) in seinem Werk mit dem brutalen Terror der Nationalsozialisten beschäftigt. Eine Brutalität, die Schwesig am eigenen Leib erfuhr, als Männer der SA und SS ihn im Juli 1933 schwer misshandelten. Im Museum „Zentrum für verfolgte Künste“ in Solingen hat Schwesigs Nachlass aus über 500 Grafiken, Skizzen und Ölgemälden jetzt eine neue Heimat gefunden. Die Kulturstiftung der Länder hat den Ankauf mit 128 800 Euro gefördert. Am Donnerstag präsentierte das Museum den Neuerwerb.

„Das Nachlasskonvolut von Karl Schwesig ist nicht nur von großer regional- und kunsthistorischer Bedeutung. Karl Schwesig hat gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet und dafür einen hohen Preis bezahlt. Seine künstlerischen und seine schriftlichen Zeugnisse stärken im Zentrum für verfolgte Künste den Sammlungsbestand und werden hier künftig der Öffentlichkeit und der Forschung zur Verfügung stehen“, sagte Martin Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Karl Schwesig, geboren mitten im Ruhrpott, in Gelsenkirchen, studierte in Düsseldorf an der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie, er war Mitglied der Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“. 1933 landete das KPD-Mitglied Schwesig im Gefängnis, er flüchtete nach Belgien, wurde 1940 interniert und erlebte eine wahre Odyssee durch verschiedene Lager. Von 1945 bis zu seinem Tod lebte er als freischaffender Künstler in Düsseldorf.

Maler Karl Schwesig.

Selbstporträt des Malers Karl Schwesig.

In Solingen sind zunächst vier Gemälde als Teil der überarbeiteten Dauerausstellung zu sehen, ergänzt um kleinformatige Zeichnungen und Aquarelle im Grafikkabinett. Nach und nach soll die ganze Schaffensbreite von Schwesigs Werk sichtbar werden. Bilder aus den 1920er Jahren im Stil der „Neuen Sachlichkeit“, Zeichnungen und Druckgrafiken, die in der NS-Zeit und im Exil entstanden, großformatige Ölbilder, gemalt nach 1945.

Unverkennbar in Schwesigs Werk ist eine am Expressionismus geschulte Formensprache. Er bezieht Stellung, verhöhnt mit seinem satirischen Strich Militarismus und Obrigkeitshörigkeit, zeigt das Leid der Gefangenen in Lagern und Gefängnissen. Eine zentrale Rolle im Oeuvre nimmt der Zyklus „Schlegelkeller“ ein. Der Name verweist auf die gleichnamige Brauerei, deren Keller den Nazis als Folterhölle diente. Drei Tage lang wurde Karl Schwesig hier „verhört“. In 48 Tusche-Zeichnungen, mit einer Mischung aus Feder-, Pinsel- und Spritztechnik, erzählt der Künstler auf fast filmische Weise das Geschehen: Düstere Räume — Keller, Zelle, Polizeipräsidium und Gefängnis — zeigen Gefangene und ihre Peiniger. Im gleichfalls erhaltenen „Schlegelkeller-Bericht“ schildert Schwesig schmerzhaft genau die Folter und das Leiden der Opfer.

Das Werk von Karl Schwesig ist ein Fanal gegen die Grausamkeiten des Nationalsozialismus.
Jürgen Kaumkötter, Leiter des Zentrums für verfolgte Künste

Die Zeichnungen sind mehr als eine bloße Chronologie des Schreckens. Sie schaffen eine Dramatik und lassen zusammen mit dem Text die Unbeugsamkeit des Künstlers deutlich werden, der für Hitler und Goebbels nur beißenden Spott übrig hat. Gleich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1934 begann Schwesig mit der Arbeit am Zyklus. 1935/36, mittlerweile im Exil in Antwerpen, vollendete er ihn. 1936 wurde die Folge in Brüssel und Amsterdam ausgestellt, 1937 in Moskau. Für eine geplante Buchpublikation schrieb Heinrich Mann das Vorwort. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs riss die Verbindung nach Moskau ab, die Original-Zeichnungen des „Schlegelkeller“ gelten seitdem als verschollen. Doch im Nachlass von Schwesig fand sich das einzige erhalten gebliebene Exemplar vom Entwurf des Schlegelkeller-Buches, mit 46 Fotografien der Zeichnungen. Auch dieses Buch ist jetzt in Solingen. „Ein einzigartiges Zeitzeugnis“, freut sich Museumsleiter Jürgen Kaumkötter. „Das Werk von Karl Schwesig ist ein Fanal gegen die Grausamkeiten des Nationalsozialismus.“

Die Düsseldorfer Galerie Remmert und Barth, 1980 von Peter Barth und Herbert Remmert gegründet, hat sich von Anfang an um das „Junge Rheinland“ und insbesondere das Werk von Karl Schwesig gekümmert. Aus Altersgründen entschlossen sich die Besitzer 2019, das Kunsthaus zu liquidieren. „Wir sind sehr froh, dass der Nachlass von Karl Schwesig hier in Solingen seine endgültige Stelle gefunden hat“, sagte Herbert Remmert. Es habe mehrere Angebote gegeben, unter anderem vom Holocaust Memorial Museum in New York. Doch der Erforschung des Werks von Schwesig könne am besten in Deutschland geschehen.


Zentrum für verfolgte Künste

Das „Zentrum für verfolgte Künste“ in Solingen widmet sich Künstlerinnen und Künstlern, deren Arbeit und Leben durch Diktaturen und totalitäre Regimes bedroht, behindert und vernichtet wurde und wird. Mit seiner Kunst- und Literatursammlung forscht und erzählt es gattungsübergreifend von verfolgten und fast vergessenen Kunstschaffenden und ihrer Arbeit.www.verfolgte-kuenste.de