Sprudelnd vor Melodien und Geschichten begeistert der Gitarren-Virtuose Pat Metheny in der Philharmonie.
Konzert in Kölner PhilharmoniePat Metheny entführt auf musikalischen Höhenflug
Als der kleine Pat zu Trompete griff, dem Hausinstrument der Familie Metheny, nahm das Unheil seinen Lauf. Der Bruder stürzte herbei und flehte ihn an, aufzuhören. Die Vögel würden vom Himmel fallen. Pat Metheny sollte es wieder gut machen. Er sattelte auf die Gitarre um und verlieh mit seiner Musik fortan den Menschen Flügeln.
In Plauderlaune
Am Montagabend weiteren rund 2000 in der Kölner Philharmonie. Es dürften viele im Saal anwesend gewesen sein, die Methenys Musik schon oft live verfolgt haben, doch nur wenige davon haben ihn wohl schon sprechen hören. Eigentlich gilt der Gitarren-Virtuose als schweigsam auf der Bühne. Am Montag räumte er mit dem Klischee gründlich auf. Der Musiker war in Plauderlaune. Und beides zusammen – seine Geschichten und seine Musik – sollten an diesem Abend in himmlische Sphären tragen.
Die Geschichten im Kompaktformat: wie sein Freund und Bassist Charlie Haden ihn zur akustischen Gitarre verführte, die neuen Nylon-Saiten, die er sich gerade auf Amazon bestellte, dass er als Jugendlicher immer bewundert habe, wie die Folksänger auf der Bühne ihre Gitarre gestimmt hatten und gleichzeitig dabei Ansagen machten. „Und nun mache ich das selbst“, feixt er.
Cinema Paradiso
Wie er auf Baritongitarre stieß und damit Mordlust bei Bassisten heraufbeschwor. Da wurde klar, Metheny ist nicht nur ein gottbegnadeter Gitarrist und Komponist, er ist auch ein passabler Geschichtenerzähler. Doch mögen seine Geschichten auch unterhalten, sie können nicht mehr als die Servierplatte für sein musikalisches Werk sein. Metheny greift zur ersten seiner mitgebrachten Gitarren, greift in die Saiten und greift ins Volle: seine Kunstfertigkeit, sein überbordender Ideenreichtum, sein gewaltiges Oevre.
Ansatzlos, aus dem Handgelenk heraus, spielt er mit seinem Wuschelkopf tief über Gitarre gebeugt oft an die zehn Minuten am Stück. Improvisiert drauflos, zitiert seine Hits (This is not America), schüttelt Jazzstandards aus dem Ärmel (I fall in love to easily). Und wischte sich nicht bei dem Filmthema von Cinema Paradiso der ein oder andere im Halbdunkel verstohlen seine Tränen aus dem Gesicht? Daran war sicherlich nur der Gegenwind schuld, bei diesem wunderschönen, melodischen Höhenflug.
Wer Metheny aber auf seinen Kamin-Klassiker „Beyond the Missouri Sky“ (mit Charlie Haden) reduziert, aus dem er zu Beginn reichlich zitierte, kennt ihn nur bruchstückhaft. Er greift zur nächsten Gitarre, und jagt alle Harmonien so konsequent zum Teufel, dass seinem Freund und Free-Jazz-Urvater Ornette Coleman in seinem kalten Grab wieder heißes Blut durch die Adern geflossen sein dürfte.
Selbst gebaute Maschinen
Zum Schluss enthüllt er noch diese mit schwarzem Tuch abgedecktem Gegenstände hinter sich, die wohl die meisten nach anderthalb Stunden Flugreise ganz aus dem Blick verloren hatten. Unter dem Tuch verbargen sich Methenys selbst gebaute Musikmaschinen, mit denen er eine mechanische Band auf die Bühne zauberte und wieder ein neues Flugziel ansteuerte: Kurs nehmend auf seine legendären ECM-Alben.
So fliegt die Zeit nur so dahin und nach über zwei Stunden, das unweigerliche Ende ahnend, steigt im Zuhörer ein leises Flehen auf: Bitte noch eine Geschichte, bitte noch eine Melodie. Da gibt es doch bestimmt noch ein Instrument, da fehlt doch noch so viel aus den über 50 Alben. Nicht noch irgendwas auf Amazon bestellt? Doch es muss wohl ein Einsehen geben. Metheny muss ja weiter, unaufhörlich, um den Menschen Flügel zu verleihen - in dieser bodenlosen Zeit.