Konzert in KölnLindemann ohne „Rammstein“ – nur ein müder Abklatsch
- Till Lindemann war in Köln mit seinem Solo-Projekt zu Gast im Palladium.
- Die nicht jugendfreie Show lockte hunderte Fans in das ausverkaufte Konzert.
- Doch eine Frage bleibt auch am Ende: Wozu das alles? Wozu ein müder Abklatsch vom Original?
Köln – Till Lindemann, seit über 25 Jahren bei Rammstein, Deutschlands Metal-Exportschlager Nummer eins, tätig, war bislang mit dem nach ihm selbst benannten Seitenprojekt wenig erfolgreich, wenn es darum geht, sein künstlerisches Profil zu erweitern.
Schon vor fünf Jahren hatte es der 57-Jährige zusammen mit dem schwedischen Metal-Multiinstrumentalisten Peter Tägtgren ins Leben gerufen. Während er auf dem Debüt „Skills in Pills“ wenigstens noch auf Englisch das R rrrrrollte, ist er auf dem kürzlich erschienenen „F & M“ wieder gänzlich bei der altbekannten „Neuen Deutschen Härte“ angelangt. Seine Anhänger stören sich aber nicht daran - wie die Pole-Position in den Charts, aber auch ein ausverkauftes Palladium beweisen.
Ziemlich spät erklimmt das Duo anlässlich ihrer ersten Live-Tour gemeinsam mit drei Gehilfen und in schmutzigen Schlachter-Outfits steckend dort am Donnerstag die Bühne. Immerhin deutete bereits das Mindestalter von 18 Jahren und die im Vorfeld veröffentlichten Videos zu den Single-Auskopplungen an, dass es nicht wirklich jugendfrei zur Sache gehen wird.
Die Hüfte wird nicht ausschlaggebend gewesen sein
Letztlich sollen es aber auch nur die im Hintergrund eingeblendeten Bewegtbilder sein, die zu dieser Altersbeschränkung geführt haben. Lindemanns eher steif denn lasziv herüberkommende ewig zuckende Hüfte wird wohl kaum dahingehend ausschlaggebend gewesen sein.
Stumpf donnert das Schlagzeug im 4/4-Takt die brachialen Industrial-Riffgewitter nach vorne, während der Frontmann, der wie eine sexgeile Mischung aus Joker, verrücktem Chemie-Laborant und Marshmallow-Geist aussieht, dazu Zeilen wie „Ich mag die Sonne, die Palmen und das Meer/Ich mag den Himmel, schau den Wolken hinterher/Ich mag den kalten Mond, wenn er voll und rund/Und ich mag dich mit einem Knebel in dem Mund“ ins Mikrofon grollt. Alles wie gehabt also. Lindemann bleibt Lindemann. Es fehlt lediglich die Pyrotechnik, um das Rammstein-Feeling voll zu machen.
Nebenprojekt als ein müder Abklatsch vom Original
Auch in Sachen Tabubrüche - normalerweise seit jeher Lindemanns Metier - wirkt das Nebenprojekt wie ein müder Abklatsch vom Original. Eigentlich sind sie beim Auftritt sogar kaum vorhanden, wirken allenfalls konstruiert und leider auch ziemlich blutleer.
Vielleicht liegt es daran, dass man mit Pornovideos, obszönen Gesten sowie Geschlechtsteilen in Großaufnahme anno 2020 kaum jemanden mehr so wirklich schockieren kann. Und um das Werfen von Torten (bei "Allesfresser") oder rohen Fischen (bei "Fish On") zu einem Tabubruch oder Skandal hochzuschreiben, müsste man die Definition dafür wohl doch ziemlich aufweichen.
Am Ende steht aber vor allem eine Frage im Raum: Wozu braucht die Person Lindemann jetzt eigentlich genau die Band Lindemann, wenn doch alles, was er künstlerisch zu sagen hat, bereits bei Rammstein genauso gesagt werden kann? Eine Antwort bleibt er nach zwei Alben und der aktuellen Tour noch schuldig.