Konzert im Gloria in KölnCurtis Harding verbeugt sich vor seinen Wurzeln
Köln – Sonnenbrillen halten auf Abstand – das Licht genauso wie die Blicke des Gegenübers, ein non-verbaler Austausch wird verhindert. Das Tragen von Sonnenbrillen in geschlossenen Räumen – nach Einbruch der Dunkelheit – ist ein hals- oder rockstar(r)iges Zeichen von Arroganz. Aber dennoch will einem Curtis Harding da auf der Bühne des Glorias nicht überheblich oder abgehoben vorkommen. Auch nicht in sich gekehrt, denn dafür regt der US-Sänger zu sehr zum Bewegen an.
75 knackige Minuten lang arbeitet der 43-Jährige sich durch Material, das sich aus seinen drei Alben rekrutiert, von denen das neueste, das großartige „If Words Were Flowers“, aus dem letzten Jahr stammt.
Die Einflüsse sind vielfältig, reichen vom Gospel seiner Mutter über die verschiedenen Soul- und R’n’B-Traditionen von den 60ern über die 80er bis in die Gegenwart, versehen mit einer überschaubaren Prise Rap. Seine vier weißen (!) Begleitmusiker steuern unter anderem 70er-Art-Rock bei, E-Gitarren-Soli inklusive. Und man denkt die ganze Zeit: Woran erinnert mich das? Als seien von einer Heerschar Platten des Rock-, Pop- und Soul-Kanons einzelne Tonspuren herausgelöst worden, um daraus einen neuen Teppich zu weben. Und der ist mal flauschig weich, bisweilen entwickelt er märchenhafte Flugqualitäten und hebt ab.
Aber da kommt man zum Problem bei Hardings Songmaterial: Zu wenige haben Refrains, die im Ohr bleiben. Oft enden die Lieder abrupt, verpuffen im luftleeren Raum. Das wird durch ein fast stakkatohaftes Aufeinanderfolgen der Nummern ausgeglichen – da gibt es keine Atempause, so dass man nicht groß zum Nachdenken kommt. Aber von diesem Wirbelwind, befeuert von Hardings sich bis ins Falsett schraubende Stimme, lässt man sich gerne treiben. (HLL)