Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Komponist Richard StraussAbgesang auf eine Epoche

Lesezeit 4 Minuten

Arbeit an der künstlerischen Unsterblichkeit: Richard Strauss auf einem undatierten Foto.

"Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding", singt die Marschallin in Richard Strauss' "Rosenkavalier". "Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie." In diesen Worten von Strauss' Textdichter Hugo von Hofmannsthal kann man nicht nur die Melancholie über die Vergänglichkeit weiblicher Schönheit lesen; sie sind, wie die gesamte Oper, ein Abgesang auf eine Kulturepoche, als deren letzter großer schöpferisch tätiger Vertreter sich Richard Strauss selbst sah.

Strauss, der heute vor 150 Jahren in München geboren wurde, war in seinem Denken und Fühlen und in seiner Kunstanschauung eine konservative Natur, ein klassischer Bildungsbürger, der die griechische Antike über die Maßen verehrte, der seinen Goethe verschlungen hatte und sein musikalisches Werk als Fortsetzung der Tradition von Beethoven und Wagner begriff.

Irritationen und regelrechte Erdbeben

Gleichwohl hatte auch der Schöpfer des 1911 in Dresden uraufgeführten "Rosenkavaliers" in seiner künstlerischen Laufbahn für Irritationen, ja sogar für regelrechte Erdbeben gesorgt. Vor allem mit der "Salome". Das erotisch aufgeheizte biblische Sujet und die aufgepeitschte Musik ließen die Zensurbehörden in München und Wien nach der am 9. Dezember 1905 an der Dresdner Semperoper über die Bühne gegangenen Uraufführung aufschrecken. Gustav Mahlers Plan, das Werk in der Wiener Staatsoper zu dirigieren, scheiterte aus diesem Grund. Also kam Graz wenige Monate nach der Uraufführung in den Genuss der österreichischen Erstaufführung dieses Jahrhundertwerks. Strauss' Salome lockte die wichtigsten Köpfe der Musikszene in die Steiermark: Gustav Mahler kam mit seiner Frau Alma angereist, Giacomo Puccini war ebenso neugierig geworden wie Arnold Schönberg und dessen Schüler Alban Berg. Das Werk erschütterte die Hörer bis ins Mark. Richard Strauss - ausgerechnet - hatte das Tor zur neuen Musik weit aufgestoßen.

Dass er mit dem "Rosenkavalier" all die fortschrittlichen Errungenschaften, die er in "Salome" und in "Elektra", dem ersten gemeinsamen Werk mit seinem langjährigen Textdichter Hugo von Hofmannsthal, wieder zu kassieren schien, nahm die musikalische Avantgarde dem Komponisten lange übel. Aber war der "Rosenkavalier" wirklich ein Rückschritt? Immerhin hatte der Komponist hier auf sehr überzeugende Weise gezeigt, dass die radikale Überwindung der Tonalität nicht die einzige Möglichkeit war, Neues zu schaffen.

Statt den Weg, den Wagner mit dem "Tristan" eingeschlagen hatte, immer weiter auf die Spitze zu treiben, gelang Strauss mit dem "Rosenkavalier" auf der Grundlage der Tradition etwas wirklich anderes Neues. Er zeigte, wie man Mozart'sche Melodien gleichsam fortspinnen konnte, ohne epigonal zu werden.

Freilich schrieb auch der Orchesterkomponist Richard Strauss immer als Traditionalist. Seine Tondichtungen waren für ihn der Versuch einer Fortschreibung von Beethovens Instrumentalwerk, vor allem auch seiner Ouvertüren. Für ihn war es "das Einzige, worin eine Zeit lang eine selbständige Fortentwicklung unserer Instrumentalmusik noch möglich ist", schrieb der 24-Jährige in einem Brief. In diesem Licht stehen alle seine großen Tondichtungen - vom 1889 in Weimar uraufgeführten "Don Juan" über die in Köln durch das Gürzenich-Orchester aus der Taufe gehobenen "Till Eulenspiegels lustige Streiche" (1895) und "Don Quixote" (1898), vom "Zarathustra" (1896, Frankfurt) bis zur "Alpensinfonie" (1915, Dresden). Er perfektionierte das Genre so weit, dass es eigentlich kein Sujet mehr gab, ob Dichtung, Philosophie oder Natur, das er nicht in Töne setzen konnte. Die "Meiner lieben Frau und unserem Jungen" gewidmete "Sinfonia domestica" ist sozusagen eine komponierte Homestory. Strauss selbst witzelte, dass er sogar eine Speisekarte vertonen könne.

Seine bürgerlich-konservative Einstellung und seine antisemitische Prägung in der Jugendzeit brachten ihn aber auch leicht in Berührung mit den Nationalsozialisten. Als bedeutender Dirigent und Theaterleiter, als Kämpfer für das Musikwesen und für die Verbesserung des Urheberrechts war Strauss immer ein Mensch, der in der Öffentlichkeit stand. Es passte also durchaus, dass das nationalsozialistische Regime ihm 1933 die Präsidentschaft der Reichsmusikkammer übertrug. Dass er bereits 1935 wegen eines abgefangenen Briefes an seinen jüdischen Textdichter Stefan Zweig wieder aus dem Amt entlassen wurde, hat Strauss durchaus geschmerzt, wie ein Brief an Hitler zeigt.

Die Nähe zu den Nazis hat Strauss bis heute verständlicherweise Sympathien gekostet. Viele Jahre war seine Musik wie diejenige Richard Wagners in Israel tabu. Als die Bomben der Alliierten Deutschlands Städte in Schutt und Asche legten, begann Strauss noch in den letzten Kriegswochen, sein letztes Instrumentalwerk zu komponieren, die "Metamorphosen für 23 Solostreicher", die ein Trauergesang auf die kulturellen und menschlichen Verwüstungen des Krieges sind. Das Ende einer Epoche, das in der melancholischen Grundstimmung des "Rosenkavaliers" nur zu erahnen ist, war grausame Wirklichkeit geworden. Als Richard Strauss am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen starb, wusste er allerdings auch, dass seine Musik fortleben würde.

Kölner Konzert: 15. 6., 11 Uhr, Philharmonie, Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz. Strauss-Werke: Till Eulenspiegel, Alpensinfonie.