Der kirchliche Bezug wird über den Beginn des Johannes-Evangeliums hergestellt, mit dem wie in Stein gemeißelt wirkenden Satz „Am Anfang war das Wort“.
Kolumba Museum in KölnNeue Jahresausstellung steht unter dem Motto „Wort Schrift Zeichen“
Die Vitrinen könnten auch im Freilichtmuseum stehen. Zeigen sie doch die Geschichte der technischen Haushaltsführung mit Ungetümen vom Handstaubsauger „Omega“ bis zur Höhensonne „Eva“, liebevoll designten Teepötten mit Namen wie „Haarlem“oder „Ivory Print“ und eine kleine Mausefalle mit dem Schriftzug „Luna“.
Humorvoller Auftakt
Das Alphabet der Dinge ließe sich beliebig fortsetzen, denn der Drang, allem einen Namen zu geben, ist offenbar zeitlos. Humorvoll gestaltet sich der Auftakt in die neue Jahresausstellung „Wort Schrift Zeichen. Das Alphabet der Kunst“ im Kolumba-Museum. Die Schau lädt ab Freitag aber nicht durchweg zum Schmunzeln ein, kopflastig wird es hin und wieder. Und es gibt auch Exponate, die keinen neuen Anpack haben: Nicht zum ersten Mal schlägt das Pendel des amerikanischen Konzept- und Performancekünstlers Terry Fox (Site Pendulum von 1977) an der meterlangen Klaviersaite um ein Wasserglas.
Direktor Stefan Kraus räumt ein, diesmal ein weites Feld bestellt zu haben. Aus dem Fundus des Kolumba hätten sich noch locker weitere Jahresausstellungen bestreiten können. Doch lassen sich die Verbindungen zwischen Schreinen, Mantelmadonnen und alten Bibeln zur zeitgenössischen Kunst mitunter nur über Umwege und Grübelei rekonstruieren.
Der kirchliche Bezug wird über den Beginn des Johannes-Evangeliums hergestellt, mit dem wie in Stein gemeißelt wirkenden Satz „Am Anfang war das Wort“. Kolumba-Mitarbeiterin Ulrike Surmann sieht indes den Schöpfungsimpuls am Anfang. Das Wort wurde Fleisch. Die kleine Christusfigur sitzt nackt auf dem wogenden Gewand der Schutzmantelmadonna, die im sechsten Raum direkt den Zeichnungen von Dieter Kriegs gegenübersteht.
Diese wiederum zeugen von der Brutalität des Machens: Große Schriftzüge bringen den Bildgegenstand in einen fragwürdigen Kontext, zeugen von alten Ängsten und sprachlicher Vereinfachung. Mit „Jesus kocht“ ist eines seiner Bilder überschrieben. Zu sehen ist eine Wurst, deren zwei Enden mit übergroßen Schleifen versehen sind. Unweit steht die mit Bergkristall, Edelstein und Perlen verzierte Monstranz aus dem 15. Jahrhundert.
Selbstporträt als junger Mann
Neben dem Wort, das trösten aber ebenso zerstören kann, gewinnt auch das Zeichen Macht. Das militärische Symbol „Z“ steht in Verbindung mit der fürchterlichen Aggression im Ukrainekrieg. Die Künstlerin Dorothee von Windheim greift es in seiner rätselhaften Bedeutsamkeit in ihren Arbeiten auf.
In seinem „Selbstportät als junger Mann“ zeigt Videokünstler Marcel Odenbach ein Fensterbrett mit einem Prospekt über Videogeräte anno 1978. Die Collage aus dem Jahr 2021 ist gleichsam Rückschau auf die Zeit des RAF-Verbrechen, die die Bundesrepublik in Schach hielten. Die Videokameras, die für Odenbach völlig neue Perspektiven des künstlerischen Arbeitens eröffneten, ließen sich aber auch zur Überwachung einsetzen. Für Kraus ist das ein Historienbild.
Ein weiterer politischer Künstler ist Felix Dröse, dessen riesige Papierschnittarbeiten an Platons Höhlengleichnis erinnern. Dort macht das Sonnenlicht die Schatten vorbeigehender Menschen sichtbar, ohne dass die im Dunkel Lebenden ihr Treiben direkt sehen können. In „Hoch die Tassen“ ragt ein ruppiges Geschöpf hervor, das womöglich gerade einen Gestrauchelten an den Galgen befördern will.
Denkmal für „Kölner Hausfrauen“
Die „Kölner Hausfrauen“ von Anna Blume richten sich nach Ansicht von Kolumba-Mitarbeiterin Barbara von Füe „gegen das Patriarchat“. Resolut, nicht immer schmeichelhaft, aber mitten im Leben stehend porträtierte Blume echte Originale. Die Handtasche schaukelt gesichert im angewinkelten Ellenbogen. Die 2020 verstorbene Kölner Künstlerin hat den Damen ohne Worte ein Denkmal gesetzt.
Für Kolumba-Mitarbeiter Marc Steinmann offenbarte sich in den Siegeln und Siegelkästen aus der Sammlung von Stephan Beissel ein Schatz. Der Jesuit (1841 – 1915) trug 31 500 Siegelabdrücke aus der Zeit vom 9. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. „Siegel, da denkt jeder gleich, das ist altes Zeug. Aber es ist eine Granate, denn die Bilder funktionierten wie ein Fotoshop für Selfies“, schwärmt Steinmann.
Auf den meist walnussgroßen Ovalen stellten sich Herrscher, Richter oder Reiter selbst dar. Verbunden ist das kleine Bildnis meist mit einem Schriftzug oder einem Monogramm. Eine der Kisten, in denen Beissel seine Sammlung systematisierte, ist schon stark beschädigt. Für Kurator Steinmann ein Grund, sie jetzt erst recht auszustellen, um den traurigen Zustand so manchen Kunstschatzes zu zeigen.
Bis 14. August 2024, Mi bis Mo 12 – 17 Uhr, Kolumbastr. 4.