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Kölns Kulturdezernentin„Wir werden alles tun, dass wir kein Theatersterben erleben“

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"Alle stehen unter enormem Druck": Die Kulturdezernentin der Stadt Köln, Susanne Laugwitz-Aulbach.

  1. Susanne Laugwitz-Aulbach (59) ist seit 2013 Kulturdezernentin der Stadt Köln.
  2. Mit Hartmut Wilmes sprach die Beigeordnete über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die verschiedenen Kunstsparten.

KölnUm welche Sparte machen Sie sich wegen Corona die größten Sorgen?Es gibt große Herausforderungen für alle, aber die allergrößte Hürde sehe ich für die darstellenden Künste. Da wird man bis Herbst sehen müssen, wie Proben und Aufführungen mit den neuen Hygiene- und Abstandsregeln funktionieren. Dabei ist eine ganz andere Form von Kreativität gefragt - ungewöhnliche, innovative Formate, die durchaus positiv überraschen können.

In kleinen Theatern führen die Distanzvorschriften zu beträchtlichen Ertragseinbußen. Das Urania-Theater hat schon aufgegeben, wie viele werden noch folgen?

Wir werden alles tun, dass wir hier kein Theatersterben erleben. Wir müssen den gefährdeten Einrichtungen umgehend helfen, und dafür stehen die Notfallfonds, die die Stadt Köln aufgelegt hat.

Wobei es da zwei gibt…

Mit einem Rettungsschirm für die geförderten Häuser haben wir sehr schnell gehandelt, und dann gab es die Notwendigkeit, diese Hilfe auf die Einrichtungen auszuweiten, die nicht auf den Förderlisten stehen und damit momentan noch größere Nöte haben. Im Moment werden beide Fonds gut nachgefragt.

Und sind noch nicht erschöpft?

Nein. Und es zeugt von sehr guter Zusammenarbeit in der Verwaltung, dass aus dem Dezernat von Herrn Greitemann gleich ein Wirtschaftsförderungs-Topf für die Club- und Kreativwirtschaft aufgemacht wurde. Alle Auswirkungen wird man wohl erst in einem halben Jahr überblicken, aber wir wollen jetzt dafür sorgen, dass die freie Szene keine großen Verluste erleidet.

Die städtischen "Tanker" wie Oper, Schauspiel und Museen haben es da leichter, andererseits gibt es auch dort schmerzliche Verluste an geplanten Premieren oder Ausstellungen.

Das stimmt, die Spielpläne der Bühnen werden nicht eins zu eins umsetzbar sein. Man wird eher mit kleinen Formaten anfangen, und auf große Stücke, große Opern, müssen wir wohl bis ins neue Jahr warten. Einiges dürfte auf die nächste oder übernächste Spielzeit verschoben werden.

Inzwischen ist das Infektionsschutzzentrum zwar aus dem Doppelmuseum am Neumarkt wieder ausgezogen. Aber ich fand die Standortwahl irritierend, weil dort mit Meister Arnt die wohl interessanteste Ausstellung des Frühjahrs geplant war.

Als der Krisenstab der Stadt, mit dem wir hervorragend zusammengearbeitet haben, ein Gebäude für die Leute benötigte, die in dieser Krise an vorderster Front stehen, da hat keiner auch nur eine Sekunde geklagt oder protestiert. Auch die dortige Direktorin Nanette Snoep und ihr Kollege Moritz Woelk nicht. Und da alle Leihgeber Verständnis haben, findet die Schnütgen-Ausstellung nun ab etwa Mitte Juni etwas später statt.

Nachdem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am 6. Mai die Wiedereröffnung der Theater ab Monatsende verkündet hatte, schränkte Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen dies am nächsten Morgen ein und hielt für große Bühnen eher einen Neustart im September für möglich. Suboptimale Kommunikation des Landes?

Alle stehen unter enormem Druck. Einerseits war das Zeichen wichtig, dass wir die Tür wieder aufmachen. Zugleich war ich der Ministerin für die Präzisierung dankbar. Und wir haben in Köln mit den Intendanten gleich entschieden, dass es sich nicht lohnt, die großen Bühnen für vier Wochen hochzufahren und dann in die Sommerpause zu gehen. Trotzdem gibt es da vielleicht das eine oder andere Freiluft-Ereignis, wie ja auch der Stadtgarten schon solche Veranstaltungen für 100 Zuschauer angekündigt hat.

Wie erleben Sie die Künstler in dieser Krise - eher lamentierend oder trotzig-kreativ?

Im ersten Moment waren wir alle fassungslos. Natürlich gibt es berechtigte Existenzängste. Aber dann ging es schnell voran mit den guten Reaktionen. Ich habe gestaunt, wie die Museen oder auch "Sommerblut" sich online präsentiert haben. Außerdem arbeiten wir natürlich schon daran, mit digitalem Ticketing auch eine Blockbuster-Schau wie Andy Warhol im Herbst zu ermöglichen.

Kommt die Ausstellung denn?

Ja, wobei momentan gewisse Verschiebungen nie auszuschließen sind.

In den Museen ist der Besuch noch sehr überschaubar. Glauben Sie, dass die Leute zurückkommen?

Ja, zumal dort die Abstandsregeln doch eigentlich einen intensiveren Kunstgenuss möglich machen. Umgekehrt sehen wir Museen ja gern als "dritte Orte", also Plattformen für Zusammenkünfte und Debatten - aber bis dahin ist es momentan noch ein weiter Weg. Aber der Museumsdienst arbeitet schon an der Anpassung der Formate, und vielleicht müssen die Museen ja noch mobiler werden und auf die Leute zugehen, die sich gerade nicht zu kommen trauen.

Wird der Kultursommer nach all den Festival- und Open-Air-Konzert-Absagen nicht furchtbar trist?

Das kann man so sehen, aber vielleicht wird es ja ein Sommer der inneren Kultur. So eine Krise zwingt uns ja auch zum Nachdenken über unsere Existenz, die großen Fragen von Liebe und Tod. Vielleicht beschäftigt uns das in diesem Jahr noch anders als sonst, damit die Kultur dann umso lebendiger wieder zurückkommt.

Personalien: Auch Dziewior soll bleiben

uf die Feststellung, dass in der Krise die Vertragsverlängerung mit François-Xavier Roth gelungen sei, sagte die Dezernentin: "Es ist toll, dass er hierbleibt. Eine Auszeichnung für das Gürzenich-Orchester und die Musikstadt Köln. Auch mit Schauspielchef Stefan Bachmann haben wir ja verlängert." Außerdem hat diese Zeitung erfahren, dass Yilmaz Dziewior , der zurzeit bis 2022 Direktor am Museum Ludwig ist, wohl verlängern wird. "Das ist noch nicht spruchreif, aber es spricht viel dafür, dass er der Stadt Köln über das aktuelle Vertragsende hinaus noch lange erhalten bleiben wird. Die Bestellung zum Kurator des Deutschen Pavillons bei der Biennale von Venedig ist ja die Krone der Kunstwelt, und ich freue mich, wenn er seine internationalen Erfolge mit der hervorragenden Arbeit in Köln weiter zusammenführt." (EB)