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Immer zwei Silben vorausEine Souffleuse erzählt von ihrer Arbeit an der Kölner Oper

Lesezeit 3 Minuten
Beate Lenzen sitzt auf einem Stuhl und hat ein Heft vor sich liegen.

Beate Lenzen beim Soufflieren.

Beate Lenzen ist zur Stelle, wenn ein Sänger, eine Sängerin in der Oper nicht weiß, wie es weitergeht.

Das Interim der Bühnen bedeutet neben vielen Herausforderungen für Kreative und Publikum gleichermaßen Beeinträchtigungen. Aber es gewährt auch Einblicke in Arbeiten, die ansonsten im Verborgenen stattfinden – etwa in die der Souffleuse.

Wie ein Teil der Inszenierung

Und wenn man Beate Lenzen beim Soufflieren von „The Beast in the Jungle“ zuschaute, konnte man glauben, sie sei Teil der Inszenierung. Platziert direkt neben den Zuschauersitzen deutete sie Emily Hindrichs und Miljenko Turk ihre Einsätze an: Mit eleganten, aber zurückhaltenden Handbewegungen, ganz in der Musik aufgehend bot sie einen faszinierenden Anblick.

„Dass ich wie ein Teil der Inszenierung wirke, ist ein schönes Kompliment, das man der Inszenierung machen kann“, freut sich die 68-Jährige im Gespräch mit der Rundschau. „Leider gibt es im Staatenhaus keinen Souffleurkasten, sodass man immer neu überlegen muss, wo die Souffleusen am besten platziert werden können“ – ohne dass sie zu sehr auffallen oder gar stören.

„Im Kasten kannst du deine Arbeit machen. Du kannst viel mehr Hilfestellung geben, und die Sänger können sie annehmen, ohne dass es jemand merkt.“

Signale per Handzeichen

So geht sie bei der Arbeit vor: „Wir müssen zwei Silben geben, einen Bruchteil, bevor der Sänger zu singen beginnt. Und das ist das Allerschwierigste: Man muss ihm vorher einen Impuls geben, sodass er die Bestätigung bekommt, dass er richtig ist.“ Falls ein Fehler passiert, signalisiert Beate Lenzen dies per Handzeichen. „Und wenn er professionell ist, singt er erst einmal nicht weiter und wartet auf seinen nächsten Einsatz.“

Falsche Töne aushalten

Oberstes Gebot: Keine Reaktion, wenn ein Ton nicht getroffen wird. Alles andere wäre „unprofessionell, denn dann hast du als Souffleuse aufgehört, den Sänger zu tragen.“ Aber sie macht auch klar: „Kein Sänger, keine Sängerin geht auf die Bühne, ohne die Rolle zu kennen.

Aber sie sind die Einzigen am Abend, die ,nackt' dastehen. Alle anderen haben Noten, nur sie nicht – und sie müssen auch noch spielen!“ Das nötige Vertrauen zur Souffleuse gebe ihnen die Freiheit zu agieren, so Beate Lenzen.

Umwege zum Beruf

Im „Souffleurkasten“ landete sie auf Umwegen. Nach dem Studium (Sprachen, Theater- und Musikwissenschaft) hospitierte sie am Theater Krefeld. Also dort eine Souffleuse gesucht wurde, bekam sie den Job. 1988 wurde sie von Intendant Michael Hampe nach Köln geholt – wo sie bis vor zwei Jahren fest angestellt war.

Trotz Rente macht sie weiter, „jetzt kann ich mir die Stücke aussuchen“, grinst sie. „Wenn man 300 Mal die ,Zauberflöte' souffliert hat, hat man nicht mehr ein so großes Interesse daran...“

Systemwechsel mit Karajan

Beigebracht hat sie sich ihr Handwerkszeug selbst, denn das Soufflieren ist kein Ausbildungsberuf. „Leider. Früher wurden die ausgedienten Sänger Souffleur. Karajan hat das System verändert“, erzählt sie. „Er hat in Wien zunächst einmal die Originalsprachen eingeführt, bis in die 60er wurde ja alles auf Deutsch gemacht. Das hieß aber auch, dass die Sänger eine ganz andere Hilfestellung brauchten. Karajan hatte einen eigenen Souffleur und generell die Arbeit eines Souffleurs sehr geschätzt.“

Nicht nur er: Antonio Pappano sagt einmal zu Beate Lenzen, nachdem er ihr länger zugeschaut hatte: „Jetzt verstehe ich: Ich kann Musik machen, und du machst die Arbeit.“

Nächster Einsatz bei „The Strangers“

Beate Lenzen kann zwar singen und hat auch kleine Rollen gespielt, Konzerte gegeben, ist auch eine Zeit „mit einer Gospelgruppe durch Deutschland getingelt. Aber ich fand mich als Sängerin nicht gut genug!“

Die Frage nach einer Lieblingsoper kann sie nicht klar beantworten. „Aber vom Hocker gerissen haben mich ,L'Amour de Loin' von Kaija Saariaho, Schrekers ,Die Gezeichneten' oder auch Gounods ,Faust'. Generell bin ich ein neugieriger Mensch, deshalb mag ich auch moderne Oper – wenn sie gut ist. Aber Roth und Mulders haben ein gutes Händchen dafür.“

Und so wird Beate Lenzen auch bei der Uraufführung von Frank Pescis „The Strangers“ am 30. September soufflieren.