„Berliner Lichter“: Ute Lemper widmet sich mit dem WDR Funkhausorchester Liedern aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.
WDR-Konzert mit Ute Lemper in KölnWie aus Mackie Messer ein Krimi wird
Nach gut 40 Minuten ist man außer Atem – die Sängerin allerdings nicht. Eine knappe Dreiviertelstunde dauert die „Weimar-Suite“, die Ute Lemper mit dem WDR Funkhaus Orchester über die Rampe des Großen Sendesaals fegt: laute Töne, leise Töne, großes Drama und kleine Geschichten.
Und in der zweiten Hälfte des Abends gibt es eine weitere Zusammenstellung mit Liedern unter anderem von Hanns Eisler, die Sängerin und Orchester noch einmal ganz anders fordern.
Hier wie dort stimmt alles, von der ersten bis zur letzten Note – und vor allem die Glaubwürdigkeit, mit der die Lemper dieses Material interpretiert, das sie zum Teil schon von Beginn ihrer Karriere vor mehr als 40 Jahren an begleitet.
Mal Dietrich-dunkel, mal kesse Gossen-Göre
Was für eine Stimme: mal Dietrich-dunkel für „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ oder „Schöner Gigolo, armer Gigolo“, mal kesse Gossen-Göre für „Berlin im Licht“. Und da wird nicht nur gesungen, sondern regelrecht performt, den einen oder anderen Kostümwechsel inklusive – Mimik, Gestik, ein paar Tanzschritte, der ganze Körper kommt zum Einsatz.
In den Musikfluss streut die 61-Jährige die Geschichte von verfolgten Künstlerinnen und Künstlern ein, erzählt von Viktor Ullmann oder Ilse Weber, die emigrierten und im KZ ums Leben kamen. Wenn man sich was wünschen dürfte, dann wäre es höchstens bei so intensiven Liedern wie Webers „Ich wand're durch Theresienstadt“ der komplette Verzicht auf jegliche Mimik – da wäre weniger mehr als genug gewesen.
Hinreißende Arrangements
Aber man kann auch das Funkhausorchester unter der Leitung von Enrico Delamboye und seine diversen Arrangeure nur loben. Da gibt es Schwung, da gibt es immer wieder piano, und dazwischen alle erforderlichen Zwischentöne – und einige Überraschungen.
„Mackie Messer“, die fast schon abgenudelte „Dreigroschenoper“-Moritat, klingt wie das Thema einer spannenden Krimiserie aus den schwarz-weißen Sechzigern, das Potpourri aus „Viktoria und ihr Husar“ setzt auf die Hitqualitäten der Paul Abraham-Operette.
Und Eislers Vertonungen von Brecht- und Tucholsky-Texten für das „Kabarett im Exil“ (1936−1938) werden zu Kunstliedern. Dass hier selbst Mikrofon-verstärkter Stimme im Orchestertutti die Textverständlichkeit schon mal auf der Strecke bleibt – geschenkt, wenn das Gefühl, sei es Verzweiflung oder Leidenschaft, einfach stimmt.
Als „Rausschmeißer“ gibt's „Sag mir, wo die Blumen sind“, das orchester-veredelt ein neues Funkeln in sich trägt, das seine universelle Friedensbotschaft keinesfalls in den Schatten stellt.
Ab 4. Juni ist der Abend 30 Tage lang im WDR 3 Konzertplayer zu hören.