Die Sängerin Sophie Hunger stellte in Mülheim ihren poetischen Roman „Walzer für Niemand“ vor, inspiriert vom eigenen musikalischen Werdegang.
Singer-SongwriterinSophie Hunger stellt erstes Buch in der Stadthalle Mülheim vor

Sophie Hunger in der Stadthalle Köln-Mülheim.
Copyright: Thomas Brill
Sie ist die wohl bekannteste Singer-Songwriterin der Schweiz, die 1983 in Bern geborene Sophie Hunger. Doch jetzt auf ihrer aktuellen Tournee, die sie auch auf zwei ausverkaufte Konzerte in der Stadthalle Mülheim führte, hatte sie – wie sie es wahrscheinlich in ihrem poetischen Sprachduktus formulieren würde – „Neuland“ im Gepäck.
Reisen durch Europa
Neben ihrer Gitarre und dem Klavier hatte sie auch ihr erstes Buch mitgebracht, dass der Tournee ihren Namen gab: „Walzer für Niemand“. Wie der gleichnamige Song erzählt der autobiografisch gefärbte Roman von ihrem besten Freund in Kinder- und Jugendjahren („Was wäre ich geworden, gäb’ es Dich nicht“), ihrem Aufwachsen in der Diplomaten-Familie, dem ständigen Reisen durch Europa, aber vor allem von ihren ersten Begegnungen mit der Musik.
Zu Hause wurde viel Jazz und Punk, aber auch Volksmusik gehört. Aber vor allem verliert sie sich mit Niemand in der Plattensammlung der Eltern, die ihr zu ihrem achten Geburtstag ein Pianola schenken. Das muss aber irgendwann dran glauben: „Fenstersturz-Fortissimo und Ende des Klavierunterrichts“. Es sind vor allem die absurden Geschichten, die ihr im Gedächtnis geblieben sind — oder die sie sich mit ihrer ausufernden Fantasie ausgedacht hat?
Tanzender Tod
Als sie sich mit Niemand an der Beschreibung immer höheren Dezibelwerten hochschaukelt, kommt ihr in den Sinn, dass Edward Munch sein Bild „Der Schrei“ just in jenem Moment gemalt haben könnte, als er an den erdbebenartigen Ausbruch des Vulkans Krakatau dachte. Aber es gibt auch Verwerfungen in der Freundschaft („Liebesschwüre sind immer auch Drohungen“ ) und Hunger gibt der Traurigkeit nach und stimmt ein walisisches Volkslied an: „Der Tod, der tanzt“.
Und in Schwyzer Dütsch wagt sie sich auch an heikle Themen: „Mein Arzt sagt: Komm, leg den Mantel ab. Und ich sag’: Aber drunter habe ich nichts“. Sie jongliert mit ihrer Stimme, lässt sie mit Hilfe der Computertechnik in eine raue Männerstimme oder die quäkende Aufgekratztheit eines weiblichen Teenagers verwandeln. Aber immer wieder präsentiert sie ihre Songs mit der ihr eigenen einschmeichelnden Stimme. Sie, die sich einfach in keine musikalische Schublade stecken lässt, überrascht immer wieder.
Jetzt auch mit ihrem ebenso tragikomischen wie poetischen Coming-of-Age-Roman, in dem es ihr überzeugend gelingt, die Qualität ihrer Musik in Literatur zu übersetzen.
Sophie Hunger: „Walzer für Niemand“, Kiepenheuer und Witsch 2025, 192 S., 22 Euro.