Mit seiner Band Chic hatte er Hits wie „Le Freak“, für Stars wie Madonna oder David Bowie arbeitete er als Produzent. Im Tanzbrunnen lässt Nile Rodgers seine Karriere Revue passieren.
Nile Rodgers im TanzbrunnenDer Mann, der Diana Ross und Madonna mit Hits versorgte
Die Stimmung ist etwas gedämpft, kurz bevor Nile Rodgers, einer der erfolgreichsten Produzenten und Komponisten der letzten 50 Jahre Popmusik-Geschichte, beinahe unauffällig wie ein Roadie zur Primetime um Viertel nach acht die Bühne am Tanzbrunnen betritt. Steckt den meisten der rund 4000 Zuschauern doch noch der heftige Gewitterschauer, der zuvor über die Stadt gezogen ist, in den Knochen und in den Frisuren.
Das grasgrüne Jacket jedoch und seine herunterhängenden Rastalocken verraten ihn, wie natürlich auch sein unverwechselbares Lächeln, und: seine Aura, die er hinter sich herzieht, wie einen prall aufgeblasenen Luftballon. Müsste man Außerirdischen den Terminus „sympathisch“ erklären, man würde glatt ein Foto des 1952 in New York geborenen Musikers hochhalten.
Open-Air Tanzfläche
Der Applaus der Viertausend schlägt ihm entgegen, „Thank you guys so much!“, ruft Rodgers ins Mikro, und „Germany is so funky and so groovy!“, fällt ihm noch ein. Diese Worte, die erste Nummer „Le Freak“ und die letzten Sonnenstrahlen, die sich zwischen den beiden Domtürmen bis hin zum Tanzbrunnen schlängeln, ermuntern einige seiner Fans dazu, sich ihrer Regenponchos zu entledigen. Viele der Glitzerkleider bekommen so doch noch ihren langersehnten Auftritt.
Rodgers, seine Band und die zwei Soul-Diven fackeln daher nicht lange und verwandeln den Tanzbrunnen mit Songs wie „Everybody Dance“, „Dance, Dance, Dance (Yowsah, Yowsah, Yowsah)“ oder „I Want Your Love“ kurzerhand zu einer Art Outdoor-Dancefloor der 70er- Jahre. Vor allem an den Seiten wird getanzt, als gäbe es kein Morgen mehr. Apropos: John Travolta und Olivia Newton-John, die waren gestern. Nile Rodgers am Tanzbrunnen ist heute.
Gesundes Selbstbewusstsein
Und der wippt mit seinen fast 71 Jährchen lässig über die Bühne, hüpft zu jeder Note der Songs so hin und her, als höre er „Upside Down“ oder „We Are Family“ zum allerersten Mal. Die Begeisterung für seine eigenen
Kompositionen auch nach mehr als 40 Jahren, die nimmt man ihm ab. Und bei all dem macht er zwischen den Liedern ein ums andere Mal keinen Hehl daraus, wie glücklich er noch heute darüber sei, so viele Nummer-eins-Hits für Stars wie Diana Ross oder Sister Sledge geschrieben oder produziert zu haben.
Nein, Rodgers stellt an diesem Abend sein Licht nicht unbedingt unter den Scheffel, sondern sagt klar, was und wer er ist. Nämlich das Melodie-Genie der letzten 50 Jahre und dazu einer der meist gebuchten musikalischen Goldesel für Bowie, Jagger, Madonna und Co., für die er Alben produzierte.
Durch die teils etwas überstrapazierte Selbstbeweihräucherung - mit dieser und jener Nummer habe er diesen und jenen Grammy abgesahnt - entwickelt sich die Show streckenweise zu einer Art Grammy-Rückschau, die man sich gut und gerne auch hätte vom Sofa angucken können.
Geschichten zu den Ohrwürmern
Überhaupt: Die Hits werden zum Teil einfach nur so heruntergefiedelt. Und, na klar, Rodgers erzählt natürlich aus seinem Madonna-Nähkästchen und davon, wie er mit ihr über die Namensgebung „Like a Virgin“ philosophierte. Aber Rodgers hangelt sich mit seinen Geschichten immer stärker von einem Ohrwurm zum nächsten, Madonna aber, die stolpert nicht auf die Bühne.
Schade, mag der ein oder andere Zuschauer insgeheim denken. Vielleicht. Ein bisschen ist das so, als stünde der Erfinder des Tennisspiels da oben und erzählt den Zuschauern von legendären Matches der 70er- und 80er-Jahre, nur Boris Becker selbst, der kommt einfach nicht.
Am Ende des Konzertes fragt man sich: Wann hat der Musik-Gott eigentlich Nile Rodgers die Hit-Formel unter dem Türschlitz zugeschoben?