Neue BelästigungsvorwürfeEx-WDR-Filmchef zieht Klage gegen Charlotte Roche zurück

Feuchtgebiete-Autorin Charlotte Roche (Archiv).
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Köln – Für die Moderatorin und Schriftstellerin Charlotte Roche fühlt sich die Welt in dieser Woche wieder etwas gerechter an. Der frühere „Tatort“-Koordinator und WDR-Filmchef Gebhard Henke nämlich hat eine Klage auf Unterlassung gegen sie und den „Spiegel“ zurückgezogen. Roche hatte Henke im vergangenen Jahr vorgeworfen, sie sexuell belästigt und bei einer öffentlichen Veranstaltung an den Po gefasst zu haben.

Gegen Ex-WDR-Filmchef Gebhard Henke haben nach Charlotte Roche auch andere Frauen Belästigungsvorwürfe erhoben.
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Der 63-Jährige bestritt die Vorwürfe und verklagte die Bestsellerautorin. Am Mittwoch sollte die erste Anhörung sein, am Montag hatte Roches Anwalt bei Gericht einen Schriftsatz eingereicht, der sieben Frauen aufführt, die Henke ebenfalls sexuelle Belästigung vorwerfen und die namentlich dafür einstehen. „Ich bin in Tränen ausgebrochen, als sich diese Frauen gemeldet haben“, so Roche, „bis dahin habe ich mich monatelang alleine gefühlt.“
WDR hat Arbeitsverhältnis mit Henke beendet
Die Klage ist nun erst einmal vom Tisch. Die Begründung: „Gebhard Henke ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine juristische Auseinandersetzung nicht der richtige Weg ist, um sich mit der Thematik und den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Wenn nicht anonyme, sondern konkrete Vorwürfe von Frauen vorliegen, so will er sich damit auseinandersetzen, Missverständnisse ausräumen und sich, wenn ein unangemessenes Verhalten vorgelegen haben sollte, in aller Form entschuldigen“, erklärte Henkes Anwalt Peter Raue.
Im vergangenen Jahr hatte der WDR das Arbeitsverhältnis mit Henke fristlos beendet, weil ihn auch dort Frauen der Belästigung bezichtigt hatten. Der frühere Filmchef einigte sich außergerichtlich mit seinem Arbeitgeber. Und er klagte im Spätsommer gegen Roche, deren Schritt in die Öffentlichkeit alles ins Rollen gebracht hatte. Die 40-Jährige sagt, sie habe „große Angst“ gehabt – und die Folgen einer möglichen Verurteilung mit ihrem Anwalt Heiko Klatt durchgespielt. Ein Ordnungsgeld von 200 000 Euro gegen die Autorin stand im Raum, wenn sie die Vorwürfe öffentlich wiederholt hätte, oder sofortige Beugehaft.
Roche: „Wie soll man sich dafür entschuldigen?“
„Ich wäre für die Wahrheit aber auch ins Gefängnis gegangen“, sagt Roche. Um das zu verhindern, nutzte sie jeden öffentlichen Auftritt, um über ihren Fall zu reden und Frauen, denen Ähnliches widerfahren ist, zu ermuntern, sie zu unterstützen. Ein Auftritt in der TV-Talkrunde „Markus Lanz“ brachte dann die Wende.
Roches Anwalt Klatt bezeichnet es als „unterste Schublade“, mit welchen Mitteln in dieser Zeit von Henkes Seite versucht wurde, seine Klientin als unglaubwürdig, erfolglos und geltungssüchtig darzustellen. So habe man probiert, sie als notorische Lügnerin darzustellen, indem man einen Auftritt in einer Show von Harald Schmidt im Jahr 2007 als Beleg anführte, in der Charlotte Roche erzählte, dass sie als Zwölfjährige gelogen habe, um eine Lateinarbeit nicht schreiben zu müssen.
Klatt spricht bei den vorliegenden Aussagen von „stets wiederkehrenden Verhaltensmustern“, die Roches Vorwürfe glaubhaft untermauern würden. Die Autorin selbst bewegt vor allem die Frage, wie groß die Dunkelziffer von belästigten Frauen ist. Eine mögliche Entschuldigung Henkes, wie von seinem Anwalt angedeutet, komme für sie viel zu spät: „Wie soll man sich dafür entschuldigen?“