Das Museum Ludwig widmet sich in „Fluxus & darüber hinaus“ den Arbeiten von Ursula Burghardt und Benjamin Patterson.
Neue Schau in KölnMuseum Ludwig nimmt Fluxuskunst wieder in den Blick
Die neue Ausstellung sei ja sehr „instagrammable“. Den Satz schnappte Yilmaz Dziewior zufällig bei seinen jüngeren Kollegen auf. Und womöglich trifft das den Kern von „Fluxus & darüber hinaus“ besonders gut. Der Direktor des Museum Ludwig könnte sich bald über die vielen Herzchen in den sozialen Medien freuen. Denn bei „instagrammable“ geht es nicht nur darum, dass etwas oder jemand ästhetische Mindeststandards erfüllt, damit sich eine Veröffentlichung auf Instagram lohnt. Es geht auch darum, dass derjenige, der das Foto aus der Schau für Instagram verwertet, viel positive Resonanz erhält.
Mensch und Maschine
Und da böten sich bei den beiden Protagonisten Ursula Burghardt und Benjamin Patterson einige Motive an: Ihr Matratzenstoff im Barockrahmen, Beethovens Zimmer in Aluminium oder seine kleinen Köfferchen mit Überraschungen wie verschließbaren Poesiealben, Blechspielzeug oder just Unterhosen und Socken zum Wechseln. Nach der Betrachtung des großen Konvoluts, das Barbara Engelbach kuratiert hat, gibt es viel Rummel im Kopf. Und das ist gar nicht schlecht.
Beliebt ist das Narrativ, das sich mit Fluxus, der ausgeflippten Kunstrichtung, die alte Zöpfe rasierte und radikal neue Wege in Form von Happenings und Performances einschlug, alles überwinden lasse. Die Kriegstraumata, der Mief, das Bleierne der Nachkriegszeit, die Kontinuitäten in Verwaltung, Kultur oder Forschung und Lehre. „Natürlich war damit nicht Schluss“, sagt Barbara Engelbach und will den Blick auf die Anfänge in den 1960er Jahre werfen, aber auch dazu animieren, bei Fluxus wieder anzuknüpfen — in Begleitveranstaltungen und zwei „Laboren“.
Arbeit mit Aluminium
Warum ausgerechnet Burghardt und Patterson? Sie waren Anfang der 1960er Jahre für Köln Impulsgeber, machten die Stadt neben Wiesbaden oder Paris zu einem Hotspot. „Unser Museum ist eng mit Fluxus verbunden, nicht allein mit der Pop Art“, sagt Dziewior. Es gebe aber auch „blinde Flecken“. Burghardt und Patterson bekamen in Köln erst mit der Zeit das ihnen gebührende Forum durch Hinzukäufe unter anderem aus der Sammlung des einstigen Chefrestaurators des Ludwig, Wolfgang Hahn. Richtig interessante Sachen gibt es vor allem im Mumok, dem Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien. „Das ist für uns wie ein Phantomschmerz“, gestand Dziewior bei der Pressevorführung.
„Einige Arbeiten von Burghardt wurden 2009 von Deborah und Pamela Kagel der Kunststiftung am Museum Ludwig geschenkt. 2022 erwarben wir im Hinblick auf die Ausstellung eine Reihe von Arbeiten Pattersons.“ Die beiden Töchter der Bildhauerin Burghardt und des Komponisten Mauricio Kagel unterstützen nun mit Leihgaben. Darunter zahlreiche Arbeiten aus Aluminium, das Burghardt in Köln gegen Holz und Gips eintauschte. Sie „schneiderte“ aus dem widerspenstigen Material Alltagsgegenstände wie Taschen und Schuhe.
Trude Herr gezeichnet
„Das ist kontaminiert mit der deutschen Geschichte“, sagt Engelbach über die in Halle an der Saale geborene Tochter jüdischer Eltern, die vor den Nazis nach Südamerika flohen. Ihre psychischen Zustände hat die Künstlerin später in Skulpturen übersetzt. Aber auch ihre Zeichnungen ziehen in den Bann: Es sind Akte, Schrauben und Ösen, die eine Verbindung von Mensch und Maschine ansteuern. In ihren „Kölner Pänz“ von 1985 bis 1987 zeichnete sie Prominente wie Volksschauspielerin Trude Herr oder Architekt Gottfried Böhm als Kind.
Patterson wiederum ist nur vordergründig verspielt, wenn er zuckersüße Hochzeitskuchen ins Regal stellt oder das „Rheingold“ mit Utensilien aus dem Sandkasten schürft. Als Kontrabassist hatte er 1962 mit George Maciunas die Wiesbadener Festspiele Neuester Musik, später bekannt als das erste Fluxus-Festival, in Wiesbaden organisiert, stieß aber immer wieder an Grenzen, der deutlich von Weißen dominierten Kunstszene. Seine Prägung aus der Heimatstadt Pittsburgh lässt sich fragmentarisch auf Plexiglas nachlesen. Eine Reise ins schemenhaft Unterbewusste.
Bis 9. Februar, Di bis So, 10 – 18 Uhr.