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Kölner FestivalMarie Deuflhard übernimmt Leitung beim „africologneFestival“

Lesezeit 4 Minuten
Das Team: Kerstin Ortmeier, Gerhardt Haag und Marie Deuflhard.

Das Team: Kerstin Ortmeier, Gerhardt Haag und Marie Deuflhard.

Stabwechsel im „africologneFestival“: Marie Deuflhard folgt auf Mitbegründer Gerhardt Haag im Leitungsteam mit Kerstin Ortmeier.

Spricht Marie Deuflhard darüber, wie einzelne Teilchen durch Beschleunigungsspannung Energie erhalten, dann ist die Physikerin mit Herzblut dabei und nichts wirkt kompliziert. Spricht sie vom Tanz, dann ist die professionell ausgebildete Tänzerin in ihr nicht minder temperamentvoll. Hingezogen fühlt sie sich zu den Darstellenden Künsten und bei dem „africologneFestival“, das ja seit 2011 immer in Bewegung ist, dürfte sie mit ihrer Energie genau am richtigen Platz sein.

Reise nach Ouagadougou

Reise nach OuagadougouWenn das Festival der afrikanischen Künste vom 11. bis 22. Juni in Köln wieder mit Tanz, Theater, Performance und seinem Dialogforum an den Start geht, wird das eingespielte Leitungsteam Gerhardt Haag und Kerstin Ortmeier in Zusammenarbeit mit Deuflhard als neuer Direktorin arbeiten. Nach dem Ausscheiden Haags, nach dem kommenden Festival, wird die 32-Jährige zusammen mit Kerstin Ortmeier die Festivalleitung weiterführen. Haag wird weiterhin beraten und sein Netzwerk nutzen.

Die gebürtige Berlinerin ist neu in Köln und gibt unumwunden zu, dass sie die Stadt schon immer gereizt habe. Und sie schmeißt sich ins Kölner Getümmel. Zum Auftakt reiste sie aber erst einmal zum Partnerfestival in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso – quasi zurück zu den Wurzeln. „Das war für mich wahnsinnig wichtig, das ,africologneFestival' noch mal ganz anders zu verstehen, dass eben tatsächlich aus der internationalen Verbindung her entstanden ist. Und da wirklich zu erleben, wie eng und langwierig diese Beziehungen sind.“

In Ouagadougou gab es 2010 den Impuls zu „africologne“ bei einer Begegnung Haags mit Etienne Minoungou, dem Chef des Festivals „Les Récréâtrales“. Schon ein Jahr später entwickelte sich Köln zum Begegnungsort und erntete bald international Aufmerksamkeit. Von einem reinen Theaterfestival breitete es sich auf Theater, Tanz, Performance, Musik, Film, Literatur und Diskurs aus. „Ich finde eine Vielfalt an Genres und Sparten sinnvoll und auch dieses spartenübergreifende Arbeiten. Erstens finde ich es wahnsinnig interessant inhaltlich und ästhetisch. Und zweitens ist es auch wieder die Frage, wen interessiert eigentlich was? Ich denke, unsere Gesellschaft ist so vielfältig. Und nicht jede Person geht gern ins Theater. Das ist ein bestimmtes Format, das manche Menschen anspricht und andere nicht.“

Multikultureller Nährboden

„Köln ist eine totale Besonderheit“, sagt Haag und nennt in einem Zug das „Afrika Film Festival Köln“, das von den European Enterprise Awards 2022 als Europas bestes afrikanisches Filmfestival ausgezeichnet wurde. Manchmal wünschen sich die Macherinnen und Macher des „africologneFestivals“, dass das alles mit mehr Selbstbewusstsein seitens der Stadt vorangetrieben wird. Denn auch wenn Köln mit seinem multikulturellen Nährboden bei den afrikanischen Communitys beliebt ist, ist es keine Insel der Glückseligen. Donald Trump, aber auch rechtslastige Politiker in Europa verunsichern die freie Szene, die stark daran arbeitet, diverse Diskurse voranzutreiben. Deuflhard beobachtet, dass man enger zusammenrückt.

Den Job in diesen Zeiten zu übernehmen, sieht sie als Herausforderung, erst recht jetzt, die bestehenden Strukturen zu stärken. Als vor zwei Jahren das von der Stadt Köln geförderte Kongress „African futures“ mit rund 100 Veranstaltungen die Stadt in eine große Bühne für Wissenschaft, gesellschaftspolitische und entwicklungspolitische Diskussionen, Workshops, Theater, Tanz, Performance, Film, Musik und Literatur verwandelte, erwies sich das laut Haag als wahre Fundgrube. Mit rund 40 afrikanischen Gruppen aus Köln intensivierte man den Dialog. Und man erfuhr regional wie international, dass der Fundus an Ideen auf große Resonanz stößt.

Hier will Deuflhard die lokale Zusammenarbeit aus der internationalen Stadtgesellschaft heraus stärken. Marie Deuflhard dürfte ein Glücksgriff sein. Denn sie hat in ihren vorhergehenden Stationen unter anderen bei der Wiesbaden Biennale und JenaKultur sowie als Projektleiterin im Programmbereich des Fonds Darstellende Künste Erfahrungen in der Akquise gesammelt. Doch auch wenn es Stiftungen gibt, private Spenden und Unternehmen, die sich ins Boot holen lassen, ist die neue Direktorin überzeugt: „Die Verantwortung liegt bei der Politik.“ Fatal sei das Signal, das entstehe, wenn die Stadt sich aus der Finanzierung herausziehe. Dann werde es auch mit Förderungen auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene problematisch. „Die kulturpolitischen Entscheidungen produzieren gerade sehr viel Planungsunsicherheit“, sagt Deuflhard.

Anthologie erscheint

Während des Festivals im Juni gibt es erstmals auch eine Buchpremiere, wie Kerstin Ortmeier verrät. Unter dem Titel „Spuren“ gibt die erste Anthologie des „africologneFestivals“ Einblick in Stimmen, Ästhetiken und Dramatik aus Benin, Burkina Faso, DR Kongo, Guinea, Republik Kongo, Senegal und Uganda. Das Spektrum der Texte reicht von Poesie bis zum Neo-Western.

Aktuell ist „africologne“ Teil des von der EU geförderten Projekts Common Stories, das sich für drei Jahre mit Begriffen von Identität und kulturelle Diversität in sich wandelnden europäischen Gesellschaften auseinandersetz.