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Sammlung WinklerMAKK zeigt Werke von Avantgarde bis ZERO-Kunst

Lesezeit 4 Minuten
Bauhaus-Studien von Carl Cieluszek, Dessau 1929.

Bauhaus-Studien von Carl Cieluszek, Dessau 1929.

Das MAKK würdigt den 90. Geburtstag des Sammlers Richard G. Winkler mit einer Ausstellung von Werken renommierter Künstler wie Werner Graeff und Adolf Luther.

Er entwarf Autos und Motorräder, gründete eine Fahrschule, schrieb Architekturbücher für den Deutschen Werkbund und verfasste für Filmemacher Hans Richter und Komponist Paul Hindemith ein Manuskript unter dem Titel „Die Rebellion der Handfeuerwaffen“. Erst nach einem Vierteljahrhundert griff Werner Graeff (1901 — 1978) seine ursprüngliche künstlerische Arbeit wieder auf, schuf Kompositionen mit Hochrechteck, Streifen, Querrechteck und Kreis mit augentäuschendem Effekt.

„Für den geistigen Gebrauch“

Bunt mag die Biografie des aus Wuppertal stammenden Künstlers und Dozenten der Essener Folkwang-Schule erscheinen, was jedoch auch den Zäsuren durch die beiden Weltkriege geschuldet gewesen sein dürfte. Frühe Erfahrungen am Bauhaus und in der niederländischen Künstlervereinigung „De Stijl“ prägten sein künstlerisches Alterswerk.

Sein Bild „ohne Titel“ aus dem Jahr 1962 fügt sich spielerisch in 35 künstlerische Positionen aus der Sammlung Winkler, die das Museum für angewandte Kunst Köln (MAKK) nun unter dem Titel „...für den geistigen Gebrauch“ aus Anlass des 90. Geburtstag des Sammlers Richard G. Winkler zeigt. Bilder und Objekte fangen eine Atmosphäre von radikaler Abkehr und Aufbruch ein.

Titelgebend für die Ausstellung ist ein Zitat des Schweizer Architekten und Malers Max Bill anlässlich der Ausstellung „Zürcher Konkrete Kunst“ im Jahr 1949. „Das lässt sich aber auch auf frühere und spätere Strömungen anwenden“, sagt Kuratorin Romana Rebbelmund. „Der Blick des Sammlers auf die innere Verwandtschaft der Kunststile und sein fundiertes Wissen um kunsthistorische Zusammenhänge wird hier sehr deutlich.“

„Malerische Formel“

Aus dem großen Konvolut wählte sie Meisterwerke der Russischen Avantgarde über Bauhaus und De Stijl, die Konkrete Kunst, der Künstlergruppe ZERO bis hin zur Systemischen Kunst. Gleich zum Auftakt gibt es eine optische Irritation in der „Studie NR. 17“ eines anonymen Künstlers. Es gibt keine exakten Kanten oder Segmente. Vermutlich handelt es sich um die Arbeit eines Schülers des Suprematisten Kasimir Malewitsch (1879 – 1935).

Spannend ist der Dialog, den die Stücke aus der Bildenden Kunst mit Zeitgenossen des internationalen Produktdesigns eingehen. Unikate und Druckprodukte gibt es im direkten Vergleich: Das Ausstellungsplakat „Kazimir Malevich“ der niederländischen Grafikdesignern Daphne van Peski (1942-2020) hängt im ersten, der Russischen Avantgarde gewidmeten Raum neben der „Malerischen Formel“ von Paul Mansouroff (1896 – 1983): Drei aufeinander geschichtete, teilweise verzogene Rechteckformen korrespondieren. Wobei das oberste Längsrechteck verschoben ist und von einer roten Linie durchschnitten wird.

Der Maler aus der Gruppe um Malewitsch spielt mit der Gegensätzlichkeit von gemalter Form und Objektform des Bildträgers —als stecke Musik in der minimalistischen Komposition der Formen. Bei Georgi Stenbergs „Raumkonstruktion KPS 51 N XI“ , die in der UdSSR Anfang der 1920er Jahre entstand und vor allem durch ihr raffiniertes Schattenspiel begeistert, wird der Betrachter in den Sog gezogen. Lebendigkeit kommt auf dem Hintergrund in Form eines Vorhangs zur Geltung. „Das ist wie eine Theaterpremiere“, freut sich Rebbelmund .

Bestellbogen

Optisch wird auch sonst eine Menge geboten: Seine „Improvisation Architecturale“ hat der niederländische Maler, Bildhauer und Typograf César Domela (1900-1992) als dreidimensionales rundplastische Arbeit angelegt, die seine Prägung durch die „De Stijl“-Gruppe und ihren Protagonisten Theo van Doesburg (1883 – 1931) und Piet Mondrian (1872 – 1944) verrät. Letzterer ist mit seinen satten Gouachefarben auch im „Tableau-Poème“ zu sehen, das er 1928 für seinen Freund, den Dichter Michel Seuphor schuf.

Daneben hängt das Ausstellungsplakat „De Stijl – De Styl“, das der brasilianische Künstler Almir Mavignier da Silva (1925 – 2018) für eine Ausstellung in Dortmund schuf. Die moderne Typografie wirkt frisch, als sei das Papier gerade erst aus der Druckpresse gekommen – dabei ist die Schau 60 Jahre her.

Berührend ist der Besucherfrage- und Bestellbogen, den Robert Michel (1897 – 1983) für das Frankfurter Samenhaus Kahl 1926 entwarf. „Notieren sie hier, was sie interessiert hat“, steht über den noch leeren Linien. Daneben: Eine Giebelreklame für Persil, die Robert Michel 1925 mit Bleistift und Aquarell auf Karton zauberte. Eine kleine Premiere verspricht Romana Rebbelmund auch bei Heinz Macks „Rotor A 745/727“. Der ZERO-Künstler (geboren 1931) lässt immaterielle Bewegungsbilder entstehen. Wenn der kleine Motor, der für die Schau eigens überarbeitet wurde, Aluminiumscheiben bewegt, entsteht Bewegung hinter dem Wellglas – ein durchaus meditatives Spektakel.

Inszenierung des Lichts

Ganz anders inszeniert Adolf Luther (1912 – 1990) das Licht. In der langen Achse des Ausstellungsraums fällt der Blick immer wieder auf seine Stele „Licht und Materie“, bestehend aus 16 in zwei Reihen übereinander montierten Kästen mit Spiegelrückwand, in denen jeweils sieben Acrylglasrechtecke stehen. Sie verzerren das Spiegelnde der Umgebung und bilden gleichzeitig Lichtkanten, die sich wiederum im Hintergrund spiegeln.

Zum Ende hin tanzt Zdeněk Sýkora (1920 – 2011) seinen „Walzer“ aus dem Jahr 1981. Ein Linienbild von ephemerer Schönheit und Leichtigkeit. Der Computer ermittelte Anfangs- und Endpunkt, Anzahl, Stärke und Richtung des Liniengebildes. In der Korrespondenz mit Sýkoras Witwe erfuhr Rebbelmund, dass alles ursprünglich größer angelegt war. Die Entscheidung über den Ausschnitt behielt sich der Künstler vor. Schon damals war also klar, dass die künstliche Intelligenz nicht das letzte Wort haben sollte.