Lanxess-Arena in KölnRod Stewart bietet unvergesslichen Abend – und nimmt erneut Stellung zur Ukraine

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Rod Stewart steht auf der Bühne

Rod Stewart während seiner Show in Kopenhagen.

Als unvergleichlicher „King of Cover“ begeistert der fast Achtzigjährige mit seiner authentischen Performance, die auch seine politische Positionierung gegen den Krieg in der Ukraine einbezieht.

Am Ende sind alle platt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn der Vorhang um kurz nach 22 Uhr nach der letzten Zugabe „Sailing“ noch einmal hochgeht, sieht man ihn und seine 13 Musikerinnen und Musiker bewegungslos auf dem Boden der Bühne liegen. Zu fragen, wer „er“ ist, erübrigt sich bei der Nennung dieses Titels. Auch wenn der Song über einen, der bei stürmischem Wetter über die See segelt und wie ein Vogel den Himmel durchquert (was rein sinnbildlich gemeint ist) gar nicht von ihm stammt, sondern von den Sutherland Brothers. Aber Rod Stewart machte „Sailing“ 1975 populär und zum Nummer-Eins-Hit.

Gleiches trifft auf das Gros der 25 Songs zu, die der 79-jährige Londoner, der im Herzen immer Schotte blieb, Dienstag in der ausverkauften Lanxess Arena auf seiner Setliste hat. Er ist der „King of Cover“. Weiß zwar kaum jemand, ist im Grunde aber auch egal. Man braucht „The First Cut ist he Deepest“, „I Don’t Want to Talk About it“ oder „Some Guys Have All the Luck” nur zu lesen, da hört man diese Stücke auch schon, gesungen mit dieser zärtlich-rauen Stimme, die den Sänger so unverwechselbar gemacht hat.

Blau und Gelb sind nicht nur die Farben der schwedischen Flagge, sondern auch die der Ukraine.
Rod Stewart trug auf dem Konzert Blau und Gelb

1999 hatte er Schilddrüsenkrebs, wurde operiert, musste das Singen erst wieder lernen. So ganz funktioniert hat das nicht. Manchmal denkt man, dass da einer versucht, so zu singen wie Rod Stewart. Nur dass das Rod Stewart ist. Aber in seinen besten Momenten, und von denen gibt es viele an diesem Abend, wächst er über sich hinaus. Macht uns den Blues und den Soul und den Funk, ist Party-Macher, Balladen-Fürst und Synthie-Popper. Schon bei den ersten Klängen von „Young Turks“ ist die Arena wie elektrisiert. Aufspringen, Loslegen, Abtanzen. So als hätte hier jemand einen Schalter umgelegt.

Blonde Strubbelspitzen-Sturmfrisur als Markenzeichen

„Young hearts be free tonight, Time is on your side“ – diese Aufforderung, die zugleich ein Versprechen ist, steckt noch immer voller Magie. Die Herzen derer, die 1981 jung waren, sind es immer noch, und dass die Zeit, die eigentlich längst  begonnen hat, zur Neige zu gehen, weiterhin ein Verbündeter sein kann und kein Feind, hat etwas ungemein Tröstliches. Ebenso wie der fast 80-jährige, der sich hartnäckig weigert, dem Rechnung zu tragen (Auch wenn das Motto seiner Tour – „One Last Time“ – so klingt, als könne es die letzte sein).

Der auch sein zweites Markenzeichen – die blonde Strubbelspitzen-Sturmfrisur – beibehalten hat und dazu hautenge Röhrenjeans mit Rosen-Applikationen und Nietengürtel trägt. Jacketts, deren opulente Muster sich als Bezüge auf barocken Möbeln gut machen würden oder so wirken, als hätte man aus einer Discokugel glitzerndes Gewebe generiert. Das Hemd weit geöffnet, so dass man viel Haut sieht, dazu Ketten und Armbänder und Uhr und Schuhe mit viel Blingbling.

Der mit dem Saxofonisten kuschelt, den Kasper macht, der Küsschen gibt, mit den Hüften und dem Hintern wackelt, über die Bühne hüpft, als sei er unterwegs zum Abenteuerspielplatz, auch kein Problem damit hat, sich am Bühnenrand niederzuknien, um einem Fan einen Pulli zu signieren. Ab und zu genehmigt er sich einen Schluck aus einem Glas mit brauner Flüssigkeit. Ein Zaubertrank? Den hätten wir, in seinem Alter, auch gerne.

Rod Stewart fühlt sich zwischen Sängerinnen wohl

Im Kreise seiner (bis auf die brünette Geigerin) allesamt blonden Musikerinnen und Sängerinnen, fühlt er sich sichtlich wohl. Wobei an der Stoffmenge für die Outfits der Bandmitglieder nur bei den Frauen gespart wurde. Männer müssen keine ultrakurzen Röcke tragen oder Shorts als Pendants, und auch die Stilettos und die Glitzerstiefelchen und das Beinehochwerfen bleiben ihnen erspart. Kann man das einem ankreiden, der fragt „Da Ya Think I`m Sexy?“ – und sich damit selbst zum Objekt fleischlicher Begierden macht?

Über jeden Tadel erhaben ist Sir Roderick (seit 2016 im Adelsstand) ganz klar dann, wenn er sich nach der furiosen Chaka Khan-Cover „I’m Every Woman“ der Backgroundsängerinnen mit gelbem Hemd und blauem Anzug präsentiert: „Blau und Gelb sind nicht nur die Farben der schwedischen Flagge, sondern auch die der Ukraine.“ Um dann dem ukrainischen Volk, dem ukrainischen Volk und Wolodymyr Selenskyj den Sieg zu wünschen. Ihnen allen widmet er „Rhythm of My Heart“, wozu Bilder von ukrainischen Flaggen, von einem ukrainischen Soldatenfriedhof und einem winterlich gekleideten Kind gezeigt werden. Es trägt ein Schild mit der Aufschrift „No war“. Zum Schluss erscheint Selenskyjs Bild. Und Rod Stewart wendet sich ihm zu und salutiert.

In Leipzig haben sie ihn für seine klare Stellungnahme ausgebuht. Und danach noch mal, in Budapest. Die Kölner applaudieren.

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