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Ausverkaufte ShowKim Petras feiert mit Fans Party im Kölner Palladium

Lesezeit 4 Minuten
Kim Petras steht mit einem Tänzer auf der Bühne.

Kim Petras begeistert die Fans in Köln.

Live kann sie überzeugen. Sie sieht wunderschön aus, sie tanzt sehr gut und sie liefert genau die Sorte Bubblegum-Beachgirl-Musik ab, die man von ihr erwartet.

Jean-Paul Sartre schrieb: „Die Hölle, das sind die Anderen.“ Kim Petras nimmt die Hölle persönlich. Und aus der will sie gerettet werden: „Save me from my personal hell.“ Das gleichnamige Stück ist das zweite von insgesamt 24, die an diesem Dienstagabend im Palladium auf dem Programm stehen.

Später – sehr, sehr viel später nach Konzertbeginn um 21.15 Uhr – wird die 31-jährige Sängerin und Songschreiberin dann entzückt ausrufen: „Meine erste ausverkaufte Show in Köln!“ Und dem noch hinzufügen: „Ich bin hier aus der Gegend.“ Was, übersetzt für diejenigen, die es nicht wissen, bedeutet: Petras wurde in Bonn geboren und wuchs in Uckerath, einem Stadtteil von Hennef, auf.

Ein hartes Pflaster. Für eine, die schon mit fünf Jahren wusste, dass sie im falschen Körper steckt. Petras, die damals noch Tim hieß, wurde in der Schule wegen ihrer weiblichen Kleidung gemobbt. Hatte aber verständnisvolle Eltern, die ihr schon mit zwölf Jahren eine Hormontherapie erlaubten, um zu stoppen, dass aus ihr ein Mann werden würde. Mit 16 bloggte sie, geschlechtsanpassend operiert worden zu sein – und war damit, weltweit, der jüngste trans Mensch, der das durchlebte.

Mit Grammy Award ausgezeichnet

14 Jahre danach, im Februar 2023, wurde sie, gemeinsam mit Sam Smith, für  „Unholy“ mit einem Grammy Award in der Kategorie „Best Pop Duo/Group Performance“ ausgezeichnet. Und verbuchte damit einen zweiten Rekord: vor ihr hatte niemand, der oder die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren konnte, das bei Geburt eingetragen wurde, diesen Preis errungen.

Live kann sie auch ohne diese Alleinstellungsmerkmale überzeugen. Sie sieht wunderschön aus – wie ein jüngerer Klon von Paris Hilton – sie tanzt sehr gut, und sie liefert genau die Sorte Bubblegum-Beachgirl-Musik ab, die man von ihr erwartet. Viel Wumm-Wumm und Umpf-Umpf, mit ohne Band. Dafür wird sie von zwei Tänzerinnen eskortiert, die eingangs zwei scharlachrote Flaggen herein tragen, später dann eine Art Ballettstange in vergoldeter Luxus-Edition und die zusammen mit ihr die gut getimten Ensemble-Tanznummern absolvieren.

All das leicht geschürzt, mit knappen Röcken oder in bauchfreien Zweiteilern, die an Dessous oder Bikinis erinnern. Die Bondage- und Ketten- und Devot- Einlagen unter Frauen kennt man schon von Madonna, die sind obligatorisch.

Dramaturgisch unterteilt ist das in vier Akte und einen Zugabenteil, was Petras Gelegenheit bietet, sich diverse Male umzuziehen.

Egal, ob in einer silberner Korsage mit abgerundeten Chiffonzipfeln, was an die Armierung einer römischen Gladiatorin erinnert, ob im Schulmädchen-Look mit weißer Bluse, dunkler Krawatte und Faltenröckchen in pink-weiß-kariert, im schwarz-weißen Retro-Bikini mit Sonnenbrille oder im gerade geschnittenen Cocktailkleid aus goldenen Platten – Petras mit ihren hoch angesetzten, blonden Manga-Mädchen-Zöpfen, macht immer eine gute Figur.

Fans feiern Kim Petras

In Kombination mit den eingeblendeten Sätzen, darunter „Bitches can’t suck like me“ (lieber ohne Übersetzung) und den dazu gezeigten Videos, in denen Petras ihre Brüste massiert, ihr Hinterteil beklatscht und ihre Hände in den Teil ihres Körpers zwischen den Beinen vergräbt, stellt sich irgendwann allerdings ein Gefühl von Irritation ein. Ist das jetzt Stolz und Selbstliebe? Oder eine Form von Übersexualisierung?

Bei den Fans – darunter viele mit Bärten, Nagellack und Kajal, Lipgloss und Lidschatten, in pinken Plüschpelzjacken, roten Lackstiefeln und silberfarbenen Lurexgürteln, Netzstrümpfen oder – hemden, mit schwarzen Spitzen, Fransen oder Bondage-Bustiers – kommt das unbedingt an. Sie feiern Petras. Und sie feiern, vermutlich, auch ein Stück weit sich selbst.

Beim fast durchweg tanzbaren Sound ist Party angesagt. Durchs Dunkel jagen Strobo-Blitze, die Bildsprache ist stark und setzt, vor allem im ersten Set, auf filmische Vorbilder, die aus „Der Herr der Ringe“, „Games of Thrones“ oder Hitchcocks „Die Vögel“ stammen könnten. All das dramatisch eingefärbt in Rot und Schwarz. Flammendes Inferno, Lavaglut, Höllenschlund.

Vielleicht sind ja doch die Anderen die Hölle? Und Sex eine Möglichkeit, den Teufel auszutreiben? „Break me, break me out of myself, Touch me, only your hands make me come alive“, singt Petras in „Personel Hell”. Nach knapp 90 Minuten, bei Ende des Konzerts um 22.39 Uhr, muss jeder und jede das für sich selbst entscheiden.