Im Gespräch mit Stefan Bachmann zum Start seiner letzten Spielzeit am Schauspiel Köln hat er sich auch zu seinem Nachfolger geäußert.
Interview mit Kölns Schauspiel-IntendantFühlen Sie sich als „lame duck“, Herr Bachmann?
Für Stefan Bachmann bricht die letzte Spielzeit als Intendant des Schauspiels Köln an. Mit Axel Hill sprach er über seine Nachfolger, seine Arbeit fürs Wiener Burgtheater und darüber, ob er sich als „lame duck“ fühlt.
Als Kay Voges jetzt voller Enthusiasmus über die Sanierung gesprochen hat, hatte ich wieder die Bilder von der Pressekonferenz 2015 vor Augen, als die Verschiebung der Eröffnung bekanntgegeben wurde.
Ich könnte mich heute noch über mich selber ärgern, über meine tölpelhafte Naivität: wie ich mich da durch die Gänge habe führen lassen im festen Glauben an die bevorstehende Eröffnung, mich als Bauherr fühlend, weil ich entscheiden konnte ob es Gardinen oder Jalousien werden. Und dass ich gar keinen Gedanken daran verschwendet habe, was es bedeutet, wenn es nicht klappt.
Haben Sie die Bauherrenschaft im Vertrag stehen gehabt?
Ja. Es wurde mir so dargestellt, als sei das nur pro forma.
Aber das war es doch auch, oder?
Naja, an der Pressekonferenz 2015 suchte man ja nach jemanden, den man verantwortlich machen konnte und da fiel der Blick schon auf uns Bauherren. Aber dann hat man sich Gottseidank darauf besonnen, dass man uns das nicht im Ernst vorwerfen konnte. Möge sich das niemals mehr wiederholen! Im nächsten Herbst wird da Theater stattfinden, da bin ich ganz sicher.
Nun startet erst einmal Ihre letzte Kölner Spielzeit. Fühlen Sie sich als „lame duck“?
Nein. Ich bin noch im Amt und habe auch Lust darauf, das zu erfüllen. Und ich habe Lust, mit den beiden Nachfolgern bei der Übergabe zu kooperieren, mit Rafael Sanchez und Kay Voges, mit dem ich ein tolles erstes Gespräch hatte. Ein guter Übergang ist sehr wichtig.
Warum?
Damit die Mitarbeitenden geschützt sind. Wenn das zwischen den Intendanten nicht kollegial abläuft, dann streiten sich nicht einfach nur zwei Popanze, sondern der ganze Betrieb leidet darunter. Viele geraten dann möglicherweise in Loyalitätskonflikte oder kommen gar unter die Räder.
Welche Ziele konnten Sie mit diesem letzten Spielplan noch verwirklichen, welche nicht?
Oh, wir hatten noch einige Highlight-Produktionen für die Eröffnugsspielzeit am Offenbachplatz geplant, die wir nun nicht mehr zeigen können. Zum Teil wandern die jetzt mit nach Wien, andere werden vielleicht von Rafael Sanchez übernommen. Der Spielplan dieser Spielzeit ist allerdings ein sehr mutiger Spielplan.
Mutig?
Es sind viele Ur-, viele Erstaufführungen dabei, kein Spielplan, der vor bekannten Titeln strotzt. Aber wir zeigen auch Bekannteres wie „Sommernachtstraum“, „Gespenster“ oder „Die verloren Ehre der Katharina Blum“ von Heinrich Böll.
Interessant finde ich, dass in der ersten Hälfte der Spielzeit Frauen Regie führen, in der zweiten Hälfte Männer.
Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Das ist keine Absicht. Ich sag mal etwas alt, weiß und patriarchal: Ladies first! (lacht)
Aber die starke Präsenz der Regisseurinnen ist sicher kein Zufall.
Nein, das ist sehr bewusst.
In Ihrer Kölner Zeit wurden es immer mehr Frauen, die Regie geführt haben. Ist das eine Entwicklung von Ihnen selber, oder hat das auch mit dem Angebot zu tun?
In den letzten Jahren hat sich der gesellschaftliche Druck, dass sich da etwas ändert, erhöht. Ich habe dem gerne nachgegeben.
Premieren-Doppel
Das Theaterfest, zu dem Oper und Schauspiel am kommenden Sonntag ist ein spielerischer Auftakt in eine Saison, die für das Schauspiel am 1. September mit „Im Anfang war der Zaun“ im Depot 2 beginnt. Am Tag darauf folgt „Yazdgerds Traum“ im Depot 1. (HLL)
Ohne Schwäche zu zeigen?
Es wäre schwach gewesen, sich nur auf altbewährte, männliche Regisseure zu verlassen. Es braucht Mut zu sagen, jetzt probieren wir es einmal mit jungen Regisseurinnen, die vielleicht noch nicht so viel Erfahrung haben. Und ihnen dann auch schnell die große Bühne zu geben. Es macht Spaß, neue Talente zu entdecken. Daraus haben sich interessante Kontinuitäten ergeben.
Jemand wie Pinar Karabulut, ein echtes Gewächs des Hauses.
Die in dieser Spielzeit Kafkas „Prozess“ fürs Depot 1 dramatisiert.
Vor den Sommerferien fielen die Entscheidungen zu Rafael Sanchez als Interimsintendant und zum Fortbestand des Depots. Sehen Sie das auch als Ihren Erfolg?
Absolut. (lacht). Rafi Sanchez ist in der Situation die beste Lösung für das Schauspiel. Und was die Entscheidung der Stadt angeht, das Depot zu erhalten, habe ich viel Kraft investiert. Schon in meinem ersten Gespräch mit Stefan Charles habe ich deutlich gemacht, dass dieses Thema entscheidend ist für die kulturelle Entwicklung der Stadt. Und er hat das ja auch sofort verstanden und mitgetragen. Viele bei mir am Theater, aber auch viele außerhalb, haben sehr dafür gekämpft. Kay Voges hat mir gesagt, es sei unfassbar, was er da geschenkt bekomme. Köln steht damit im überregionalen Vergleich hervorragend da! Es ist jetzt noch viel attraktiver, in Köln Theater zu machen.
Wie läuft's derzeit in Wien?
Gut. Da die Entscheidung verhältnismäßig spät gefallen ist, mussten wir im letzten halben Jahr ziemlich Gas geben. Das Ensemble in Wien hat sich gewünscht, dass ich möglichst behutsam umgehe bei der Neugestaltung und ich meine Nichtverlängerungsüberlegungen schon vor dem Sommer kommuniziere. Das habe ich beherzigt. Ein paar Veränderungen wird es schon geben, aber jemandem sagen zu müssen, dass man keine Perspektive sieht, ist das Schlimmste am Intendant-Sein.
Sich bei 70 Ensemblemitgliedern einen Überblick zu verschaffen, klingt heftig.
Das war sehr zeitaufwendig. Ich habe mit allen 20-30 Minuten gesprochen und mir so viele Produktionen wie möglich angesehen, damit ich meine Entscheidungen begründen konnte.
Wissen Sie schon, wer aus Köln mitkommt?
Ja, aber nur zum Teil. Da hängen ja teilweise ganze Familien mit den Entscheidungen zusammen.