Gut gelaunt spielt der Musiker vor 17.000 Menschen insgesamt 41 seiner Hits in Köln, seiner alten Heimat.
Zurück in KölnHerbert Grönemeyer spielt vor ausverkaufter Lanxess-Arena
Um 22.12 Uhr grantelt er ein bisschen. „Ist das alles? Wart ihr alle im Stadion oder was?“ Worauf sich die 17 000 in der Lanxess Arena am Riemen reißen. Und die Zeit, „dass sich was dreee-heeet, was dreee-heeet, was dreee-heeet“ mit wesentlich mehr Verve und Verbalkraft beschwören als beim ersten Versuch. Aber ansonsten ist Herbert Grönemeyer beim Kölner Konzert im Rahmen seiner „Das ist los Tour 2023“ blendend gelaunt.
Dazu hat der 67-Jährige auch allen Grund. Nicht nur, weil die Arena ausverkauft ist, bis auf den letzten Platz, sondern weil er jedes Mal, wenn er hier spielt, an früher denken muss: „Ich habe zehn Jahre in Köln gewohnt, in den 1980ern, am Rudolfplatz.“ Hier hat er Stücke wie „Bochum“ und „Männer“ geschrieben und die Alben „Sprünge“ und „Ö“ „und überhaupt alles“.
Wobei man Letzteres getrost dem Grönemeyerschen Hang zur humoristischen Übertreibung zurechnen darf. „Ich bin durch Köln so schön geworden wie ich bin. Ich habe eine sehr schöne rechte Oberschenkelmuskulatur, die zieht sich sehr straff nach oben“ geht da in eine ganz ähnliche Richtung. Oder womöglich doch nicht? Vielleicht ist es ja genau diese Oberschenkelmuskulatur, die Herbies tänzerisches Potential – irgendwo zwischen Ballett, Stepptanz und Cakewalk angesiedelt – bei „Mambo“ zur vollen Blüte gelangen lässt?
„Wir geben alles, damit es leicht wird – und rheinisch“ hat der Mann im offenen hellblauen Hemd überm schwarzen T-Shirt (und den schwarzen Jeans und den weißen Turnschuhen) bei der Begrüßung in seinem Namen und in dem seiner formidablen Band versprochen. Aber nur leicht wird es in fast drei Stunden dann doch nicht. Das aktuelle Album „Das ist los“, das der Tour ihren Namen gibt, ist auf der Setliste mit immerhin elf von 13 Stücken vertreten.
Grönemeyer nimmt mit „Deine Hand“ Bezug auf den Iran
Und nicht alle kommen so sachte-melancholisch wie das Intro „Tau“ daher, zu dem sich Gröni ans Klavier auf die Rundbühne am Ende des Catwalks begibt: „Manchmal legt der Tau sich auf mich. Und dann werd’ ich leise traurig, weil ich glaube nicht, dass alles so schön ist, wie es ist.“ Andere wie „Eine Tonne Blei“ erzählen von der vergeblichen Sehnsucht, „in unserem Leben jemanden zu finden, der uns allen Ballast nimmt“ oder von denjenigen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten und für die symbolisch „Der Schlüssel“ steht, „den sie in der Tasche tragen, von ihrem Heim, von ihren Haus, das es nicht mehr gibt.“ Vor dem Hintergrund, „dass wir jetzt drei Jahre extrem gefordert waren und nicht genau wussten: geht’s nach links oder geht’s nach rechts – da ist es jetzt umso wichtiger, dass wir füreinander einstehen.“
Als alter weißer Mann kann sich der Ex-Kölner jetzt durchaus vorstellen, doch mal ein Lied über „Frauen“ zu singen, was er mit „Deine Hand“, das bildlich Bezug auf den Iran nimmt, ja schon getan hat. Und wenn die Erdkugel auf der Leinwand im Inneren einer Fackel verlodert, braucht man nicht allzu viel Fantasie, um die Botschaft, die darin steckt, zu verstehen. Apropos Leinwand: auf der hätte man, falls hoch unterm Arena-Dach sitzend oder ganz hinten im Innenraum stehend, das Geschehen auf der Bühne gerne schon früher verfolgt. Nicht erst ab der 30. Minute nach Konzertbeginn.
17.000 Besucher singen aus vollem Hals mit
Mit „Was soll das“ und „Vollmond“ gibt es zwei Stücke von „Ö“ (1988) im Doppelpack, die Musik, die man nur hört, wenn sie laut ist, wird noch lauter mitgesungen, und bei „Der Weg“ ist das Taschenlampen-Handy-Firmament in der Halle obligatorisch. Ebenso wie das „Steigerlied“, das „Bochum“ einläutet und der blau-weiße „Vfl“-Schal, den ein Fan dabei straff gespannt zwischen den Händen hochhält. Irgendjemand tut das immer.
„Mensch“ beatboxt sich im Calypso-Reggae-Modus in die Ohren, in giftgrünes Licht getaucht wird „Alkohol“ zur kollektiven Mitsing-Orgie. Kaum dass man noch den Text versteht, aber den kennt ja jeder, und wenn sich das Saxofon da hineinsägt, strahlend und messerscharf, kennt die Glückseligkeit keine Grenzen mehr. „Tanz den Tanz auf dünnem Eis, fordere das große Gefühl“, singt der ewige Bochumer in „Bleibt alles anders“, „kein Ersatz, deine Droge bist du, bist du.“ Was soll man darauf antworten?
Außer „Oh, wie ist das schön“ anzustimmen (und sich vom besten Botschafter, den das Ruhrgebiet je hatte, am Klavier begleiten und dirigieren zu lassen)? Voller Vorfreude auf das, was noch kommen wird. „Turmhoch“ vom neuen Album und dann, endlich, „Giiib mir mein Herz zurück“. Wonnig erschallend aus 17.000 Kehlen. Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer scattet und jodelt und tremoliert dazu, dass es eine und einen schaudert. Vor Entzücken. Ein Gefühl, das der Künstler mit seinen Fans, die ihm größtenteils schon seit den 1980ern die Treue halten, teilt. „Das ist wirklich ein wunderbarer, wunderbarer Abend“, bedankt er sich strahlend, „und er geht mir zu Herzen. Es ist schwer zu beschreiben, was ich jetzt fühle, aber das geht einem durch und durch, durch Mark und Bein. Das ist wundervoll.“ Und da, mit acht weiteren Zugaben, noch längst nicht zu Ende.
Set-Liste
- Tau
- Das ist los
- Bist du da
- Sekundenglück
- Kopf hoch, tanzen
- Steigerlied (Trad. Cover)
- Bochum
- Männer
- Was soll das
- Vollmond
- Eine Tonne Blei
- Der Schlüssel
- Doppelherz / Iki Gönlüm
- Musik nur, wenn sie laut ist
- Oh Oh Oh
- Herzhaft
- Der Weg
- Behutsam
- Deine Hand
- Mensch
- Alkohol
- Angstfrei
- Bleibt alles anders
Zugabe 1
- Oh wie ist das schön (Trad. Cover)
- Turmhoch
- Flugzeuge im Bauch
- Zeit, dass sich was dreht
Zugabe 2
- Urverlust
- Halt mich
- Demo (Letzter Tag)
Zugabe 3
- Mein Lebensstrahlen
- Land unter
- Mambo
- Immerfort
- Der Mond ist aufgegangen (Matthias Claudius Cover)
- Moccaaugen
- Currywurst
- Einmal nur in unserem Leben