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Amerikanischer KünstlerGespräch mit Walton Ford über alte Meister und die Hetzjagd auf den Löwen

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Zeichner Walton Ford in der Taschen Buchhandlung. 

Zeichner Walton Ford in der Taschen Buchhandlung.

In der aktualisierten Ausgabe „Pancha Tantra“ gibt der amerikanische Künstler Walton Ford einen Überblick zu seinen Tier- und Wimmelbildern. Ein Gespräch

Seit Jahrzehnten begeistert der amerikanische Künstler Walton Ford mit seinen großformatigen Tierbildern. In teils lebensgroßen Formaten erblickt man Rhinozeros, Elefant, Affen, Raubtiere und jede Menge exotische Vögel als Bestiarium im Stil der frühen naturkundlichen Zeichnungen – allerdings gespickt mit skurrilen Einfällen, in kuriosen bis erschreckenden Situationen und stets eingebettet in einen erzählerischen Kontext.

Bilderbücher

Es sind „Bilderbücher“ der ganz speziellen Sorte, einzigartig, auch wegen ihrer ungewöhnlichen Technik: Ford malt mit konzentrierten Wasserfarben auf spezielles, besonders dickes Papier. Eine Entdeckungsreise mit dem Künstler, der in der Kölner Buchhandlung Taschen ein neues Buch mit seinen Arbeiten signierte. Wie das alles begann, diese Leidenschaft für die Natur, für den Wald, die Pflanzen, für alles, was kreucht und fleucht in den Wäldern seiner Kindheit, daran erinnert der Mann vom Land sich immer wieder gerne.

Schon als Junge streifte er mit seinem Bruder am liebsten draußen in der Umgebung seines Elternhauses herum, schon früh mit dem Zeichenblock bewaffnet, und den Background lieferten die Bücher. Perfekter Strich und kleinste Details „In früheren Jahrhunderten haben sich so viele Forscher auf den Weg gemacht, unbekannte Landschaften und Kontinente zu entdecken, Gelehrte, Händler, Wissenschaftler. Und fast immer waren Leute dabei, die das dokumentiert haben, unter widrigsten Umständen. Oft herrschte Krieg, es war bitterkalt, die Lebensumstände primitiv und manchmal gefährlich – und dann saß mitten in diesem großen Abenteuer jemand, der einen Vogel malte! Mit Wasserfarben auf Papier! Diese Bilder haben mich fasziniert, als ich noch ein Kind war“, erzählt Walton Ford im Gespräch mit der Rundschau.

„Deshalb sehen meine frühen Arbeiten so aus, als ob sie im frühen 18. Jahrhundert entstanden wären, sozusagen in einer vor-fotografischen Zeit. Jedes Detail musste stimmen, jede einzelne Feder eines Vogels zum Beispiel.“ Der perfekte Strich für jede kleinste Feder, jedes Härchen, das war das Ziel in dieser Anfangszeit. Doch dann kam immer mehr dazu, das Satirische, das Absurde, oft fast Surrealistische, das Intellektuelle. Was hat sich im Lauf der Zeit verändert?

Schwieriger Start

„Bei mir hat es angefangen, als ich eine Ausstellung in Los Angeles vorbereitet habe. Ich wollte Tiere aus Kalifornien malen, aber das Licht ist dort so besonders, dass ich weg musste von diesem Naturalismus, ich musste den Hintergrund mitdenken, mehr Tiefe, bekommen, mehr Drama!“ Als Kunststudent war Ford, Jahrgang 1960, in Italien und sah Giottos Fresken über die Martyrien der Heiligen. „Das hat mein Leben komplett verändert. Ich wollte Bilder wie diese machen! So wahnsinnig und bizarr!“ Aber in den 1980er Jahren war das nicht cool, figurativ zu malen, altmodisch, ja anachronistisch. Meine Ausstellungen waren in kleinen Uptown-Läden, betrieben von Ehrenamtlern. Bis zu meinem 36. Lebensjahr habe ich mein Geld auch mit Handwerksarbeiten verdient.

Die ersten Zeichnungen entdeckte ein bekannter Galerist in Los Angeles und verkaufte sie für 1500 Dollar.“ Heute erzielen Fords Bilder auf internationalen Auktionen bis zu siebenstellige Preise. „Die Leute waren anfangs total irritiert: Vogelzeichnungen, und das in dieser Zeit! Aber ich habe mich nicht irritieren lassen. Man kann es mögen oder nicht, aber: Es ist das Beste in seiner Art.“ Das sagt er heute ganz unbescheiden, zu Recht. Doch Ford will mehr, nein, etwas anderes. „Ich habe gerade eine Ausstellung in Venedig, die ist sehr wichtig für mich. Sechs neue Bilder zeigen wir parallel zur Biennale in einer Bibliothek aus dem 16. Jahrhundert, da hängt auch ein Gemälde von Tintoretto, St. Hieronymus mit dem Löwen, sehr fantasy! Das hat mich inspiriert, Lichteffekte einzusetzen, Bewegung.“

Es gibt immer noch die Geschichten zu den manchmal mehrteiligen Bildern, eine Spezialität, die typisch ist für Walton Ford. Da schwelgen Affen beim Gelage, am Zürichsee wird wochenlang ein schwarzer Panther gejagt, ein Leopard brüllt triumphierend über einem zerschmetterten Motorrad – hollywoodreife Szenarien, mal witzig, mal drastisch. Sie spiegeln auch Fords Begeisterung für die große Zeit des Überwältigungskinos der MGM-Studios im Stil von King Kong und Co.. Daraus resultiert auch die Sache mit dem Löwen, der ihn als Motiv seit vielen Jahren beschäftigt.

König in Gefangenschaft

Er hat ihn in Gefangenschaft gezeigt, als Ankläger vor seinen eigenen steinernen Monumenten, vor dem Hintergrund der berühmten Leipziger Löwenjagd. Vor einem Swimming Pool am Sunset Boulevard hockt der Löwe müde und hoheitsvoll zugleich wie ein alternder Filmmogul, im dazugehörigen Text erinnert sich der 1920er-Jahre-Star Gloria Swanson daran, wie man ihr einst das Tier für eine Filmszene auf den Rücken packte. Besonders eindrucksvoll zeigt sich Leo vor einem Stapel zerfledderter Bücher, fast ein Sinnbild der Verzweiflung in einer Zivilisation, die nicht die seine ist. Auf den Löwen wollte Ford schon immer kommen, wusste nur nicht, wie. „Da gab es Bruchstücke einer Geschichte, von einem Löwen, einem Doggy, Büchern, Feuer. Wie kriege ich das zusammen? Versuch nicht, dem einen tieferen Sinn zu geben, sage ich mir. Nimm einfach die Zutaten. Und dann erlaube dir zu träumen.“

Und wenn der Traum vorbei ist…? „Dann frage ich mich: Was könnte das bedeuten? Wer ist der größte Feind des Löwen? Die Kultur des Menschen, der so viel in ihn hineininterpretiert hat: Er ist der König der Wildnis, er ist nobel, majestätisch. Wir haben eine Art Obsession für den Löwen entwickelt. Skulpturen gemacht, sogar ein beschissenes Musical, ,The Lion King'. Ich bin sicher, dieses Tier ist nicht glücklich damit.“ Im günstigsten Fall weiß er nichts davon. „Doch, wenn er sieht, wie ihn Hunderte von verdammten Range Rovern verfolgen und fotografieren…. Das ist ja wie Stalking.“

Walton Ford: Pancha Tantra, Taschen Verlag, 512 S., 25 Euro