„Empusion“: Antú Romero Nunes bringt Olga Tokarczuks Hommage an Thomas Manns „Zauberberg“ auf die Bühne des Depot 2.
Hommage an Thomas Manns „Zauberberg“„Empusion“ erobert die Bühne des Depot 2 in Köln
„Willkommen in Görbersdorf!“ In diesem schlesischen Örtchen spielt Olga Tokarczuks Roman „Empusion“, eine Verbeugung vor Thomas Manns „Zauberberg“.
Im Depot 2 des Schauspiels feierte nun eine Bühnenfassung ihre Kölner Premiere, die Uraufführung fand beim Lausitz Festival statt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Kölns OB Henriette Reker verfolgten die Co-Produktion Seite an Seite.
Auf „Mann“ gedrillt
Tokarczuk erzählt die Geschichte des jungen Mieczysław Wojnicz, der 1913 in den Kurort kommt, um sein Lungenleiden zu kurieren. Aber nicht nur das. Sein Körper weist die Merkmale beider Geschlechter auf. Sein alleinerziehender Vater und ein Onkel beim Militär wollten ihn auf „männlich“ trimmen – selbstredend vergeblich.
In Antú Romero Nunes’ Inszenierung wird er von Aenne Schwarz verkörpert, die ihn als unsicheren jungen Menschen auf der Suche nach sich selbst spielt.
Frauenfeindliche Männer
In der Kur wird Wojnicz mit einer Horde von Männern konfrontiert, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie halten nichts von Frauen. Für deren misogyne Ansichten hatte Tokarczuk schon im Buch Originalzitate von Freud, Wagner, Nietzsche oder Schopenhauer verwendet.
Bei Nunes verkörpert nun ein rein weibliches Ensemble Ärzte und Kurgäste. So gerät vieles oberflächlich zur Karikatur, getragen von einer großen Spielfreude, die Gro Swantje Kohlhof, Charlotte Müller, Sabine Waibel und Anne Haug an den Tag legen. Schon wenn sich Haug durch einfaches Drehen der Perücke um 180 Grad vom distinguierten Arzt in den derben Pensionswirt verwandelt, ist das eine Schau für sich.
Parabel auf den Krieg
Doch in diesem extrem unterhaltsamen, manchmal durchaus lautstarken Klamauk gehen Nuancen unter, bleiben Zusammenhänge vage. Auch erklärt diese Bühnenfassung von Lucien Haug nicht explizit genug, warum es jungen Männern in Görbersdorf einmal im Jahr an den Kragen geht: Sie werden den Empusen, den Geistern als Hexen verfolgter Frauen, geopfert. Wojnicz jedoch wird „verschmäht“, da er von den mystischen Wesen nicht eindeutig als Mann identifiziert werden kann. Dies nimmt Wojnicz zum Anlass, von nun an als Frau zu leben.
Natürlich ist dies eine Parabel auf den Krieg, dem junge Männer geopfert werden, und wirft gleichzeitig einen Blick auf derzeitige Geschlechterdiskussionen – und ewig aktuelle Herabwürdigungen von Frauen durch Männer, denen nichts Besseres einfällt.
Großartiger Theaterabend
Allein, in Buchform nimmt all das schon durch Tokarczuks wunderbare Art zu erzählen, ihren bisweilen mystisch-märchenhaften Ton viel mehr gefangen. Auch bleibt mehr Muße, um all den Parallelen zu Thomas Manns Mammutroman, der vor genau 100 Jahren erschien, nachzugehen. Doch ein großartiger Theaterabend ist diese „Empusion“ allemal.
120 Minuten (keine Pause), wieder am 23. und 24.11. sowie 14. und 15.12., jeweils 20 Uhr.