Auf dem Festival c/o pop kann man Stars und Sternchen ganz nah sein. Noch bis Sonntag gibt es Einblick in die Musikwelt der Kölner Clubs und Konzerthallen.
Musik- und ClubfestivalEin Rundgang über die c/o pop in Köln
„Sorry, können Sie mir vielleicht sagen, wo ich das Tickethäuschen finde? Zwei meiner Freundinnen treten gleich im BüZe auf. Als Drag Queens“. Ob Klara ihre beiden Freundinnen von „Drag Syndrome“, dem weltweit ersten und einzigartigen Kollektiv aus Drag Queens und Kings mit Down-Syndrom, noch rechtzeitig im Ehrenfelder Bürgerzentrum sehen wird, bleibt unklar. Trennen sich unsere Wege doch in der wuseligen Menschenmenge am Bumann & Sohn.
Denn: Auf einem Hinterhof-Parkplatz des beliebten Clubs erhält man mithilfe eines QR-Codes sein Eintrittsbändchen für den ersten Festivalabend der diesjährigen c/o pop. Viel Glück, Klara. Reden über die AngstEin paar Meter weiter, am Artheater, ist es beinahe gespenstisch ruhig. Hier also soll gleich live der beliebte Podcast „Reflektor“ von und mit Jan Müller, dem Bassisten der Hamburger Rockband Tocotronic, stattfinden? Das Foyer des Theaters ist gähnend leer.
Ein Punkband in der Popwelt
Kein Wunder, sitzen doch alle Musikbegeisterten brav im Saal auf ihren Stühlen und lauschen den Worten Gwen Dolyns, Sängerin der Indie-Pop- Band Tränen, die zusammen mit ihrem Band-Kumpanen Steffen Israel (auch bekannt als Gitarrist der Punkrock-Band Kraftklub) völlig entspannt die schnittig-gewitzten Fragen Müllers – „Seid ihr eine Punkband in der Popwelt?“ — zu beantworten versucht.
Dolyn öffnet sich, sagt sowas wie „Bei den Sachen, die ich mache, denke ich oft, dass ich schummle, weil ich das Gefühl habe, es gar nicht richtig zu können“. Das Artheater hält den Atem an, weil es Dolyns Ehrlichkeit mit höchster Konzentration packen, einfangen und konservieren will.
Am Ende ist es die hohe Kunst der Interview-Empathie Müllers, die dem Duo aus Chemnitz nicht alles, aber doch vieles abverlangt, wie zum Beispiel auch das Reden über die Angst vor den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen oder über die Geheimnisse des Catering-Riders. Ob man denn jungen Menschen heutzutage noch dazu raten könne, Popstar werden zu wollen, will Müller schließlich noch von Dolyn wissen. Ihre Antwort, indirekt, aber klar: „Mache auf keinen Fall etwas, das nichts mit dir zu tun hat.“ Ein guter Satz, Gwen.
Begegnung mit Severin Kantereit
Jorina Stamm, die Sängerin der schweizerischen Folk-Rock-Band Soft Loft, hat diesen Satz wohl irgendwo irgendwann auch schonmal aufgeschnappt und ihn sich zu eigen gemacht. Die Stahl-Tür des Helios lässt sich nur schwer aufdrücken, aber es funktioniert. Und da steht Jorina ganz weit hinten auf der Bühne mit ihrer Gitarre und Band, und: Sie singt „I would give myself in / But I wouldn't give me up / Do we keep on trying / Or do we end up lying“ (Ich würde mich hingeben / Aber ich würde mich nicht aufgeben / Versuchen wir es weiter? / Oder lügen wir am Ende?).
Die Botschaft ist herzzerreißend, Stamms Stimme so unaufdringlich und warm wie ein Lagerfeuer in den Bergen Montanas. Das ist wunderschön anzuhören. Und das Helios, es staunt. Es genießt Soft Loft in vollen Zügen. Eine Band, die man in den kommenden Jahren auf dem Schirm haben sollte. Unbedingt. Viel Erfolg euch, Soft Loft. Severin Kantereit, Schlagzeuger der Kölner Ausnahmeband AnnenMayKantereit, kennt ihn gut, den Erfolg.
Getroffen hat er ihn zusammen mit seinen beiden Schulfreunden Henning May und Christopher Annen nicht völlig unerwartet, doch ging es für die Drei vor mehr als zehn Jahren auf der Popularitäts-Leiter recht schnell nach oben: Von Straßenmusikern auf der Ehrenstraße über eine deutschlandweite Clubtour bis hin zum Major-Plattenvertrag und einem im letzten Jahr ausverkauften Stadionkonzert in Köln-Müngersdorf. Abheben könnte man da. Doch Severin steht ganz lässig vor dem Yuca-Club und plaudert mit ein paar Freundinnen und Freunden. Er wirkt sehr glücklich.
Gleich gehe es aber nach Hause, ein langer Tag sei es für ihn gewesen, flüstert er mir ins Ohr. Komm gut heim, Severin. So nah kommt man den Stars und Sternchen der Musikwelt nur selten, die Stimmung ist gut in den Straßen Ehrenfelds, Fans verschiedener Stile – Popper, Punker, Waver oder Rocker – vermischen sich mit „Bändchen-Trägern“ der Musikszene. Fachsimpelei hier, Fachsimpelei da. Das alles ist sehr lebendig.
Wegzudenken jedenfalls ist das Kölner c/o pop Festival in der deutschen Musikszene schon länger nicht mehr. Als Nachfolger der 2003 nach Berlin verlagerten Popkomm zog es 2019 vom hippen belgischen Viertel in den Kölner Stadtteil Ehrenfeld um. Der ist über die Stadtgrenzen bekannt für seine vielfältige Club- und Konzertkultur. In den letzten 15 Jahren entwickelte sich Ehrenfeld immer stärker zu einem der angesagtesten Spots für die Kunst-, Kultur- und Kneipenszene Kölns. Du bist kunterbunt, Ehrenfeld.
Und weil das so ist, spricht Katha Pauer, deutsche Nachwuchs-Singer-Songwriterin, im Yuca über ihre ersten Erfahrungen mit Pornofilmen, die sie als junges Mädchen gesehen hat und die ihr Verständnis für Sexualität negativ geprägt haben; deshalb quetschen sich während des Auftritts von Tränen im Club Bahnhof Ehrenfeld deren Basslinien in beide Lungenlappen bis hoch zum Kehlkopf, und Gwen Dolyn schreit rotzfrech „Ich zeig dir was ich fühl / Seh' nicht schön dabei aus / Aber das ist alles for real“ ins Mikro. Ein Abend, der Mut macht.
So geht es weiter:
Das Musikfestival c/o pop geht bis Sonntag, 28. April. Eine Auswahl der noch anstehenden Events:
„Schnaps oder Wahrheit“ mit Ligatti & 9ine heißt es Samstag, 18.30 Uhr im Artheater. Weiter geht es dort um 20 Uhr mit Jembaa Groove.
Vegan Cooking mit Gina Marie Grimm steht Samstag, 14 Uhr im Maireneck auf dem Programm.
Ritter Lean ist im Konzert am Sonntag, 21.15 Uhr, im Club Bahnhof Ehrenfeld zu erleben.
Die Leoniden spielen am Sonntag, 21.30 Uhr, in der Live Music Hall auf.
Aka Kelzz ist am Sonntag, um 17.30 Uhr im Yuca mit Soul vom Feinsten zu hören. (EB)