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Franz Lehárs Operette„Die lustige Witwe“ feiert in Köln eine prickelnde Premiere

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Im Handgemenge ist der Chor der Oper Köln mit John Heuzenroeder (links) als Vicomte Cascada und Elissa Huber als Hanna Glawari.

Im Handgemenge ist der Chor der Oper Köln mit John Heuzenroeder (links) als Vicomte Cascada und Elissa Huber als Hanna Glawari.

Als neu und erotisierend galt die Musik dieser Operette und machte sie zur unerwarteten Erfolgsgeschichte. Diese wird nun mit prickelnder Erotik neu erzählt.

Es könnten Margot und Erich Honecker sein. Aber eigentlich ist das auch egal — die Porträts sehen ihnen jedenfalls sehr ähnlich. Und lange werden diese Bilder in der Botschaft des Fantasiestaats Pontevedro in Paris sowieso nicht mehr hängen. Die ist nämlich baufällig, der Kleinstaat mit Ostblock-Ambiente bankrott und alles im Umbruch: Das Bühnenbild (Friedrich Eggert) mit dem Mief klobiger Loungesessel vor tristen Tapetenmustern und dem antiquierten Kachelofen lässt die Besucher der „Lustigen Witwe“ im Staatenhaus erst einmal tief in die Polster sacken.

Leichte Muse mit Tiefgang

Aber so frech wie Bernd Mottl die wohl erfolgreichste Operette des Wieners Franz Lehár inszeniert hat, gewinnen Esprit und auf den Punkt gebrachte Pointen ganz schnell an Fahrt. Angestaubt ist hier inhaltlich gar nichts. Die Premiere mit zur Revue offenbar prädestinierten Gesangssolisten sowie einem auch choreografisch bestens vorbereiteten Chor der Oper und dem walzerseligen Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Andrea Sanguineti wurde frenetisch gefeiert.

Im Saal eins setzte man mit dem Beifall quasi fort, was im Ballsaal zuvor geboten wurde: Lehár schuf 1905 mit seiner revolutionären Operette manchen Ohrwurm, spannte den Bogen vom pariserischen „Valse lente“ bis zur slawischen „Mazurka “. Der Bühnentrubel macht immer noch gute Laune, ist kurzweilig und hat trotzdem Tiefgang.

Das Libretto von Victor Léon und Leo Stein variierte Mottl in seiner Textfassung ganz leicht, so dass der Pleitestaat nun manche Parallele zu Köln aufweist — was bestens ankam. Kostprobe: „Eine klitzekleine Milliarde für unsere Oper“ soll es geben. „Denn die Kosten gingen ein wenig aus dem Ruder.“ Die Sanierung der Botschaft — Sinnbild der Oper — gelingt binnen einer Woche unter dem Motto: „Erst planen, dann bauen.“ Elissa Huber in der Rolle der Witwe Hanna Glawari macht ihre Sache glänzend.

Königskinder finden sich

Die vielen Sprechpartien nimmt sie mit schauspielerischem Charme und Witz, ihr Gesang geht unter die Haut: Wie im feengleichen „Vilja-Lied“, das der gebürtiger Slowene Lehár mit osteuropäischen Klängen voller Sehnsucht setze. Kontrastreich ist die Musik des Ohrwurms „Da geh' ich ins Maxim“, das Adrian Eröd in der Rolle des Grafen Danilo Danilowitsch mit Verve sang. Er und Hanna sind die „Königskinder“, die nach mancher Weigerung letztlich doch zueinanderfinden.

Verehrer hat die 20 Milliarden schwere Witwe mehr, als ihr lieb ist. Der Baron Mirka Zeta (Ralf Lukas) erklärt Hannas Heirat mit einem Pontevedriner zur Staatssache, nur so bleibe das Geld im Land. Aber Franzosen erkennen die gute Partie im Botschaftsgebäude natürlich auch. Es wird gebuhlt, angetatscht und gelogen, dass sich die Balken biegen. Choreografisch setzt Christoph Jonas das mitreißend um. Die Glawari droht mitunter in einem Meer aus Händen zu versinken. Das nervt, aber sie bewahrt die Oberhand.

Eine emanzipierte Frau, die finanziell die Richtung vorgibt und auch in der Liebe weiß, was sie will, war zu Lehárs Zeiten ungeheuer modern. Mottl schafft es, die Operette in die Gegenwart zu holen, ohne dass es gewollt wirkt. Ostblock-Look und Latex-Klamotten gehen eine ungewohnte, aber überzeugende Verbindung ein. Die Grisetten, mit denen sich Danilo so gerne umgibt, sind divers. Die Party im nachgebauten Pariser In-Restaurant „Maxim“ dürfte Anfang des 20. Jahrhunderts ähnlich aufgeregt pulsiert haben wie jetzt im Staatenhaus.

Die Glawari findet ihren Galan, der ihr vor ihrem unverschämten Reichtum einen Korb gegeben hatte. Nun ziert er sich, da er nicht in den Verdacht geraten will, es auf ihr Geld abgesehen zu haben. Aber er liebt sie. Stoff für eine Komödie, die sich zum gutem Ende klärt. Als zweites Liebespaar auf der Bühne bilden Baron Zetas Frau Valencienne (Rebecca Nelsen) und Camille de Rosillon (Maximilian Mayer) das ernsthafte Gegenstück. Sie beharrt auf Standhaftigkeit im Lied „Ich bin eine anständige Frau“, er macht sie in der Arie „Wie eine Rosenknospe“ weich. Leichtfüßige Melodien sind das, die immer noch zu verzaubern vermögen.

Erotisierende Musik

Als neu und erotisierend galt die Musik dieser Operette und machte sie zur unerwarteten Erfolgsgeschichte. Diese wird nun mit prickelnder Erotik neu erzählt. Am Ende schafft der pontevedrinische Esel Dukaten in schier unbegrenzter Menge heran. Sogar die Hasenohren der Grisettentänzerinnen- und tänzer sind golden. Ralph Morgenstern begeistert als Strippenzieher „Njegus“ und kommt mit ihnen im Gefolge ins Publikum. Die Operette hat in dieser Inszenierzung sehr viel Pep. Das macht zumal in einer Stadt Spaß, die offenbar auch schon länger auf eine solvente Witwe wartet.

Zweieinhalb Stunden mit Pause, wieder am 5., 7., 10., 13., 16., 21., 25., 27., 29. und 31. Dezember.