AboAbonnieren

„Die Messe ist für die Kunst da“Auf der Art Cologne präsentieren sich etablierte wie neue Kunstgalerien

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer stehen vor einer Skulptur.

Ein Hingucker ist Bruno Gironcolis Skulptur für Daniel Hug (links) und Galerist Lui Wienerroither.

Mit 170 Ausstellern aus 29 Ländern erreicht die Art Cologne vom 16. bis 19. November die gleiche Form und Stärke wie 2019 vor der Pandemie.

Daniel Hug läuft über die Art Cologne, die noch von Kisten, knisternden Folien und den Geräuschen von Gabelstaplern und Akkuschraubern geprägt ist, bevor der große Besucherandrang in den Messehallen 11.1 und 11.2 in Deutz startet. Der Direktor der traditionsreichen Kunstmesse ist die Ruhe selbst. Ein interessiertes Gespräch mit etablierten Galeristen hier, ein freudiges Begrüßen neuer Aussteller dort – er hat ein offenes Ohr, für große Visionen und für kleine Sorgen und Nöte.

Und er nimmt sich Zeit für die Kunst, lässt alles auf sich wirken. Kritisch wirft er einen Blick auf den Propeller von Franz Ackermanns „Helikopter Nr. 21“. Das Fliewatüüt mit einem schrottreifen VW als Kabine, Rettungsseilen und Megafon scheint ihm offenbar nicht ganz geheuer. Das „Flucht- und Befreiungsfahrzeug“ (2003) steht unweit des Gemäldes „Kaufhausbrand“ (2008), auf dem Ackermann die politisch motivierten Brandstiftungen Im April 1968 darstellt, an denen die späteren Mitbegründer der Rote-Armee-Fraktion, Andreas Baader und Gudrun Ensslin, beteiligt waren.

„Kunst darf nicht für Propaganda stehen.“

Alles zu sehen in der im Zentrum gelegenen Sonderschau der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). „Die Messe ist für die Kunst da, es wäre unfair, jetzt nur über die gegenwärtigen Kriege und Konflikte zu sprechen.“ Kunst dürfe nicht für Propaganda stehen.

Während die Stimmung bei den New Yorker Herbstauktionen laut Agenturberichten Anfang der Woche gedrückt wirkte und sich der Enthusiasmus über die Rekordzahlen im vergangenen Jahr nicht so recht einstellen wollte, gibt sich Hug für den hiesigen Kunstmarkt optimistisch: „Deutsche Sammler treffen ihre Entscheidungen überwiegend selbst.“ Anders sei es in den USA und China, die den globalen Kunstmarkt beherrschten. Dort bestehe eine Investitionskultur, in der man sich auf die Expertisen von professionellen Beratern verlasse. Das könne aber auch schiefgehen.

„Absurd“ ist sein Kommentar zu jungen Shootingstars der Kunstszene, deren Bilder in kurzer Zeit eine Million Dollar erzielten. „Aber nach einem halben Jahr ist die Blase geplatzt.“ Laut Marktreport der Art Basel finanzieren beinahe die Hälfte der Kunstsammler ihre Käufe auf Kredit. Hug ist skeptisch angesichts solcher Zahlen. Auch glaubt er nicht, dass nur zwei Prozent des Umsatzes weltweit auf deutsche Käufer fallen. „Wir haben mehr als 1000 Galerien, über 200 Kunstvereine und vier der weltweit wichtigsten Museen.“ Und es gebe auch Milliardäre unter den Sammlern.

Auch Wiederentdeckte haben ihren Raum

Vor einem Urgestein wie dem Anfang des Monats verstorbenen Harald Falckenberg aus Hamburg zieht er den Hut. „Er fing spät, erst mit über 50 Jahren an zu sammeln, damals in den 1990er Jahren.“ Mutig habe er sich für raumgreifende Installationen des amerikanischen Künstlers Jason Rhoades entschieden. „Aber das waren andere Zeiten“, sagt Hug.

Der Höhepunkt des Kunstmarktes sei überschritten. Trotzdem bewege sich ungemein viel und Spannendes. Zusehen unter der Rubrik Neumarkt. Eine begehbare Klangskulptur baut Arjan Stockhausen auf. 1992 in Alfter geboren, schafft er medienübergreifende Arbeiten, die Skulptur, Malerei, Sound und Rauminstallation einbeziehen.

Aber auch Wiederentdeckte haben ihren Raum. Gebannt bleibt Hug vor einem Bild mit Gitarre stehen, das Eleni Koroneou ausstellt. Helmut Middendorf hat es 1978 gemalt. Er gehört mit Malern wie Jirí Georg Dokoupil, Rainer Fetting, Salomé und Elvira Bach zu den Neuen Wilden, die mittlerweile auch zur älteren Generation zählen, aber zeitlos aktuell scheinen. Ein Hingucker ist auch die Skulptur des österreichischen Künstlers Bruno Gironcoli aus frisch gewienertem Aluminium. Alles ist glatt und fließend. Der abstrakte Kinderwagen, die Mutter — so verspielt wie monströs. Zu sehen bei der Galerie Wienerroither & Kohlbacher aus Wien.

Beim Rundgang über das Messegelände ist schnell zu erkennen, dass Hug auf die Mischung achtet. Junge und etablierte Galerien sind im stetigen Wechsel, die Teppichfarben von hellem Blau über Schwarz zu Fliederfarben sollen zur Orientierung dienen. Im Trend liege Kunst von Frauen. Und die gegenständliche Malerei ist wieder im Gespräch. Gemäßigt sei allerdings das Interesse an NFT-Kunst , bei der ein einzigartiges digitales Kennzeichen die Echtheit der Kunst im Netz bezeugt.

Limitiert wurde nun die aus der Cologne Fine Art & Design 2022 hervorgegangenen Art + Objekt. Dabei verließ sich Hug im vergangenen Jahr auf die Expertise des Designspezialisten Sebastian Jacobi, der den Spagat zwischen Klassischer Moderne und Nachkriegsmoderne versuchte, auch Möbel und Design ausstellte.

Waren dort im 2022 noch 13 Aussteller vertreten, sind es nun nur noch vier, die die Brücke zur designorientierten Kunst schlagen sollen. Der Beirat der Art Cologne suchte sie aus. Offenbar hatten Gemälde alter Meister andere Aussteller irritiert. „Das funktionierte so nicht“, so Hug.


Reduzierung auf vier Messetage

Mit 170 Ausstellern aus 29 Ländern erreicht die Art Cologne vom 16. bis 19. November die gleiche Form und Stärke wie 2019 vor der Pandemie und erstreckt sich über zwei Etagen der Halle 11 der Messe. Im vergangenen Jahr war sie – zumal im Bereich der Art + Objekt noch etwas breiter aufgestellt. Die Laufzeit wurde auf vier Messetage verkürzt. Eine Art Kompromiss: Denn während Händler historischer Objekte sich eine Messe wünschen, die eine Woche dauert, bevorzugen zeitgenössische Galerien kürzere Laufzeiten um zwei Tage. Laut Direktor Daniel Hug kommt man damit dem neuen Trend bei den Kunstmessen nach. (jan)