Vor fast 50 Jahren trat der Jazzpianist Keith Jarrett in der Kölner Oper auf - obwohl er eigentlich nicht wollte. Ein neuer Film erzählt die Geschichte dazu.
Keith Jarretts „Köln Concert“Der legendäre Auftritt in der Kölner Oper wird verfilmt
Haben Sie eine Bart- oder Haartracht, die an die 1970er erinnert? Dann stehen die Chancen nicht schlecht, als Statist in einem Film mitzuspielen, der die Geschichten rund um Keith Jarretts legendäres „Köln Concert“ erzählt.
Am 24. Januar 1975 sollte der Jazzpianist im Kölner Opernhaus auftreten, die damals 17-jährige Konzertveranstalterin Vera Brandes hatte den Riphahn-Bau gemietet, das Konzert war ausverkauft.
Das falsche Klavier
„Wir hatten das falsche Klavier, der Lkw war nicht groß genug, um das richtige zu transportieren“, erinnert sich Jarrett viele Jahre später in einer 3Sat-Dokumentation. „Ich hatte zwei Tage nicht geschlafen und mir in einem italienischen Restaurant den Magen verdorben.“
Und dennoch schaffte Vera Brandes es, Jarrett zum Auftritt zu bewegen. Der Rest ist ein Stück Jazzgeschichte. Bis heute ist die Platte „The Köln Concert“ das best verkaufte Solo-Piano-Album, Jarretts fließende Improvisationen überwältigen bis heute. Und die Anekdoten aus dem Vorfeld gehören nicht nur definitiv zum Kölner Legendenschatz, sie sind auch filmreif.
„The Girl from Köln“
„The Girl from Köln“ wird im Herbst unter anderem in Köln gedreht. Regie führt Ido Fluk, der auch das Drehbuch schrieb. Neben Ulrich Tukur, Jördis Triebel und Alexander Scheer in Nebenrollen wird John Magaro („Orange is the new Black“) Jarrett verkörpern, Mala Emde („Charité“) spielt Vera Brandes.
„Künstlerische Freiheit“
„Ich habe mich mit ihr drei Tage lang getroffen“, erzählt Vera Brandes im Gespräch mit der Rundschau. „Sie kann mich sicher wunderbar in der Verfassung, in der ich damals war, spielen. Und ich habe ihr eine Kiste mitgegeben, mit all meinen bunten Brillen, die ich damals getragen haben. Vielleicht wird sie also mit einer meiner Originalbrillen spielen.“
Auch Ido Fluk hat sich an sie gewandt: „Ich habe lange Gespräche mit dem Drehbuchautor geführt und die Geschichte des 24. Januar 1975 in allen Einzelheiten erzählt – auch wie es dazu kam, dass ich in diesem Alter überhaupt schon Konzerte veranstaltet habe, wie es sein kann, dass so ein junges Weib hingeht und so einen Typen in Köln auf die Opernbühne zaubert.“
Aber sie macht auch klar: „Es ist ein Spielfilm und keine Dokumentation, ich habe ihnen die Freiheit gegeben, dass das nicht 100-prozentig realistisch ist, sie haben künstlerische Freiheit. Das ist ein tolles Team, ein unfassbarer Cast – und ich empfinde das als großes Kompliment.“
Der Musik treu geblieben
Vera Brandes blieb der Musik treu, organisierte Konzerte mit anderen Jazzgrößen, gründete verschiedene Plattenlabel, wo sie unter anderem Alben von Mikis Theodorakis, Barbara Thompson oder Andreas Vollenweider produzierte. Mittlerweile beschäftigt sie sich mit der medizinischen Wirkung von Musik.
Wie sehr Musik einen kranken Menschen beleben kann, zeigt ein YouTube-Video des Musikjournalisten Rick Beato, der vor einem guten halben Jahr den mittlerweile 78-jährigen Jarrett zu Hause besuchte. Jarrett hatte 2018 zwei Schlaganfälle, ist seitdem halbseitig gelähmt, das Sprechen fällt ihm schwer.
Keith Jarretts Krankheit
Doch wenn Keith Jarrett nur mit der rechten Hand vorsichtig auf dem Flügel spielt, spürt man, was schon diese kleine Melodie in ihm auslöst. Und wenn er sich zusammen mit Beato einige ältere Aufnahmen anhört, scheint die Musik ihn förmlich zu durchfluten – und strahlend sagt er: „Ich glaube, ich hatte mehrere Hände. Aber ich hatte nur eine mehr.“
500 Statisten und Kleindarsteller
Für „The Girl from Köln“ werden rund 500 Komparsen und Kleindarsteller aller Nationen und jeglichen Alters gesucht. Bei den Männern sind vor allem Koteletten und Schnäuzer gefragt, Frauen sollten mindestens kinnlange Haare haben. Die Dreharbeiten finden von Oktober bis Mitte November im Raum Köln statt.
Interessierte können sich kostenlos online bei der Agentur Eick & Weber unter https://musik.casting-eick.de mit drei aktuellen Fotos (Porträt, Profil und Ganzkörper) bis einschließlich 10. November bewerben. „Wir besetzen verschiedene Szenen mit Konzertbesuchern, Schülern, Studierenden, Café-Gästen und Passanten“, sagte Agentur-Mitinhaber Gregor Weber der Deutschen Presse Agentur. „Wenn möglich, sollten sich alle Interessierten für unseren Film die Haare und Barthaare komplett weiterwachsen lassen.“