Katharina Thalbach gehört zu Deutschlands beliebtesten Schauspielerinnen. Jetzt feiert sie ihren 70. Geburtstag.
Zum 70. GeburtstagWarum Katharina Thalbach die beste Merkel ist
Sind es ihre Augen, oder ist es ihre Stimme? Erstere groß, fast wie weit aufgerissen vor Staunen über das Leben, die Liebe und alles andere. Aber wenn sie den Mund aufmacht, kann es knarzen und schnarren, und bei niemandem klingt das so bezaubernd, verzaubernd, bezirzend wie bei Katharina Thalbach, die am 19. Januar ihren 70. Geburtstag feiert.
Schauspielerin, Sprecherin, Regisseurin, auf der Bühne, Leinwand, und im TV, in Dramen, Komödien, Kinderfilmen – mal „U“, mal „E“, wobei die Unterhaltung nie zum Unfug gerät und das Ernste nicht das Entertainment aus dem Blick verliert. Eine „Kleene“, die zu den ganz Großen in Deutschland geworden ist.
Sie wurde 1954 in Ost-Berlin in eine Theaterfamilie hineingeboren, Vater Benno Bresson ein bekannter Regisseur, die Mutter Susanna Schauspielerin (sie starb früh an einer Thrombose). Ihre Halbbrüder Pierre (Schauspieler) und Philippe (Regisseur) Bresson blieben ebenfalls beim Fach, genauso Tochter Anna. Deren leiblicher Vater ist ebenfalls Schauspieler, der Ziehvater – und Katharina Thalbachs große Liebe – war der 2001 verstorbene Schriftsteller Thomas Brasch. Kein Wunder also, dass Enkelin Nellie die Familientradition fortführt.
Schon als Kind stand Katharina Thalbach vor der Kamera, ab Ende der 60er auch auf der Theaterbühne und wurde in der DDR bekannt. 1976 siedelte sie wie so viele nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann in den Westen über – und schaffte es, anders als viele andere, sich dort ebenfalls als Schauspielerin zu etablieren.
Unter anderem am Schauspiel Köln, wo sie in Jürgen Flimms Eröffnungsinszenierung seiner Intendanz als Käthchen von Heilbronn Publikum und Kritiker begeistert.
Im selben Jahr spielt sie in Volker Schlöndorffs Verfilmung der „Blechtrommel“ die junge Frau, die den Teenager Oskar in die Liebe einführt, eine heikle Rolle, die sie mit mehr als nur Bravour meistert.
Es ist mitunter auch der permanente Wechsel von Genres und der Medien, mit denen sie die, die ihr zuschauen, verblüfft. Scheinbar mühelos taucht sie in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auf.
Wirkt die Rollenauswahl vielleicht manchmal etwas beliebig? Königin Marie von Bayern in „Ludwig II.“, die Französischlehrerin Mamsell in den „Hanni und Nanni“-Filmen, die Udo Jürgens singende Rentnerin in „Ich war noch niemals in New York“, Therese Giehse in „Die Manns“, Hape Kerkelings Oma Bertha in „Ich bin dann mal weg“: Der rote Faden ist die Lust am Spiel — und sicherlich auch die Lust, anderen eine Freude zu bereiten.
Dabei taucht sie immer zur richtigen Zeit am richtigen Platz auf, mal kalkuliert, aber auch gerne spontan. Wie im „Hauptmann von Köpenick“, den sie als Regisseurin mit Harald Juhnke auf die Bühne des Berliner Maxim Gorki Theaters brachte. Als ihr Hauptdarsteller alkoholbedingt ausfiel, übernahm sie die Rolle.
Übrigens nicht ihre einzige Hosenrolle: Im Film spielte sie König Friedrich II., im Theater Agatha Christies Meisterdetektiv Hercule Poirot, ebenfalls eine eigene Regiearbeit. Das Burschikose, auch das Androgyne liegen ihr – und werden bisweilen auch auf dem roten Teppich zelebriert.
In Köln inszenierte sie zwischen 2004 und 2011 vier Opernabende, darunter „Mahagonny“ von Brecht/Weill und Richard Strauss' „Salome“, die, wenn auch nicht immer nur bejubelt, aber von vielen guten Ideen getragen waren. So ließ sie den Tanz der sieben Schleier von Salome in der Küche mit Geschirrtüchern präsentieren – und den abgeschlagenen Kopf von Johannes dem Täufer im Speiseaufzug auffahren.
In der persönlichen Begegnung schafft sie die wundervolle Gratwanderung zwischen herzlicher Schnoddrigkeit und überraschender Zartheit. So erzählte sie etwa vor der Uraufführung der Oper „Rotter“, die auf einem Stück von Thomas Brasch basiert: „Mit seinen Texten zu arbeiten ist für mich eine Möglichkeit, dass er weiter bei mir ist.“
Sie scheint aus zarten wie aus groben Strängen gewebt, eine durch und durch ehrliche, mit allen Wassern gewaschene Haut. Das spürt das Publikum, egal ob groß, ob klein — und sicherlich auch die ehemalige Kanzlerin.
Diese verkörperte die Thalbach gleich mehrfach: In der Guttenberg-Satire „Der Minister“ legte sie einen ikonischen Auftritt hin. Man schaut ihr zu und denkt, wer, wenn nicht sie, hätte diesen Part übernehmen sollen. Dass sie die Ex-Kanzlerin als schrullige Hobby-Detektivin in der TV-Fassung des ersten „Miss Merkel“-Krimis mimte, war hoffentlich nur den Finanzen geschuldet. Und auch das würde man ihr locker verzeihen.